Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Zweiter Band. Heer und Heimat 1914-1918. (2)

Frontkommando 185 
Ee ist tragisch, unendlich tragisch für den, der das Unglück kommen 
sieht und zu helfen nicht die Macht hat. 
Die Waffensiillstands= und Friedensverhandlungen in Brest- 
Litowsk beendeten das Jahr. Ich war während dieser Jeit zur Führung 
einer Brigade und Division nach Flandern kommandiert. 
Ich mußte einmal aus dem Betrieb im K.M. heraus, die an 
Körper und Geist gestellten Anforderungen waren doch zu groß. 
Die Zeit an der Front war für mich die glücklichste des ganzen 
Krieges. 
Ich wurde zunächst mit der Führung der 35. Res.-Brigade beauf- 
tragt, die zur 18. Res.-Div. und Gruppe des Generals Dieffenbach ge- 
hörte. Armeeführer war General Sixt v. Armin. Also es ging nach 
Flandern. Die Fahrt verlief bis Cöln ziemlich planmäßig, von da ab 
traten starke Verspätungen ein, die auf Uberlastung der Bahnen zurück- 
zuführen waren. Außerdem mußten wegen Fliegergefahr die Bahnhöfe 
meist dunkel gehalten werden. Dazu eine ungeheuere Jahl von Mit- 
fahrern. Es ist nicht schwer, sich bei diesen Verhältnissen ein Bild von 
dem Wirrwarr zu machen, der beim Einlaufen der Züge auf größeren 
Stationen entstand. In der Nacht kamen wir, d. h. ich mit meinem 
vortrefflichen Burschen, in Thielt, dem Sitz des Oberkommandos, an. 
Da ich hier bekannt war, gelang es mir bald, Unterkunft zu bekommen. 
Der Armeeführer empfing mich am nächsten Tage. Wir waren, 
wie erwähnt, Regimentskameraden. Er hatte 70/71 beim Königin 
Augusta-Regt. den Krieg mitgemacht. Im Jahre 1908, als ich in das 
K.M. kam, bekleidete er die Stelle des Direktors des Allgemeinen 
Kriegs-Departements. Beim Beginn des Krieges führte er das IV. A. K. 
In seiner Armee war der General sehr beliebt und geschätzt. Sein 
tadelloser Charakter und seine Fürsorge für die Leute hatten hierzu viel 
beigetragen. Zu seiner Führung hatte man unbedingtes Vertrauen. 
Sein Chef, General v. Loßberg, eine der „Kanonen“ des General- 
Stabes in diesem Kriege, war mir schon seit meiner Leutnantazeit be- 
kannt. Ich freute mich, diesen Mann, der so unendlich viel geleistet 
hatte, so wohl und frisch zu sehen. Seine unverwüstliche Natur hatte 
ihn nicht im Stich gelassen. Er war von Armee zu Armee gewandert, 
überall, wo es brenzlich stand, mußte er einspringen. Er orientierte mich 
über die Lage, sagte mir, daß er mir gerade den Abschnitt an der großen 
Straße Geluve—POyern gegeben habe, da er interessant wäre, und ich
	        
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