Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Dritter Band. Wehr und Waffen 1914-1918. (3)

Versammlungsrecht 129 
her zu prüfen, ob es sich um militärische oder diesen gleichgestellte An- 
gelegenheiten handelt. Trifft dies zu, so muß stets die Vorlage der 
beabsichtigten Vorträge zur Zensur bei der Zensurstelle des General- 
kommandos gefordert werden (soweit die Zensur nicht etwa schon vorher 
stattgefunden hat), eine Weigerung in dieser Beziehung würde die 
Polizeibehörde verpflichten, bei öffentlichen Versammlungen die Ge- 
nehmigung zu versagen, bei nicht öffentlichen die Versammlung zu über- 
wachen. 
Trotz dieser Verfügung verstummten die Beschwerden nicht. Be- 
sonders waren es die stellvertretenden Generalkommandos VI und II, 
die von den Sozialdemokraten bzw. Freisinnigen heftig angegriffen 
wurden. Wenn auch der größte Teil der Klagen unbegründet und auf 
persönliche Gründe zurückzuführen war, sah sich das K.M. doch ver- 
anlaßt, durch Verfügung vom September 1017 und Mai 1918 die 
Militärbefehlshaber darauf hinzuweisen, daß es nicht als zulässig be- 
zeichnet werden könne, wenn durch zu scharfe Beschränkung des Vereins- 
und Versammlungsrechts Unruhe unter die Bevölkerung gebracht würde, 
und daß die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter- 
schaft wahrzunehmen, den Gewerkschaften ebenso wie den anderen Ar- 
beiterorganisationen gewährleistet werden müßte. Die erlassenen Be- 
stimmungen sollten in der Praris so gehandhabt werden, daß nicht un- 
nötige Schwierigkeiten entständen. Es wurde aber betont, daß es Sache 
der stellvertretenden kommandierenden Generale, die die Verantwortung 
für die Sicherheit ihrer Bezirke trügen, sei, nach den örtlichen Ver- 
hältnissen von Fall zu Fall zu entscheiden. In dem Erlaß vom 30. 5. 
1918 heißt es: „Ubereinstimmung herrscht darüber, daß bei ausbrechen- 
den Unruhen und bei Aufständen mit einer jeden Zweifel ausschließenden 
Festigkeit, die vor Gewaltmaßnahmen nicht zurückschreckt, aufgetreten 
werden muß. Diese Festigkeit muß sich selbstverständlich auch in den 
gewöhnlichen Zeiten der Ruhe zeigen, sie muß sich aber nicht in der 
Androhung oder Ausübung von Gewaltmaßregeln äußern. In solchen 
Jeiten kommt es darauf an, auch politisch zu verfahren.“ Es wird 
dann weiter ausgeführt: Z 
„Für die gesamte Bevölkerung steht eine vermehrte Belastungs- 
probe bevor. Sie fällt zusammen mit innerpolitischen Kämpfen. 
Die Spannung wird sich auf irgendeine Weise Luft machen. Wird 
ihre Außerung gewaltsam verhindert, so frißt sie im Verborgenen 
Wrisberg, Wehr und Waffen 9
	        
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