XXVII
Der Deutsche Kaiser hal das gelamte Bundesgebiet völkerrechslich zu ver-
weten. Er vermag im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu schlieten,
sowie Bündnisse und Nerträge mit andern Staaten abzuschlieben.
Die Reichsgesetzgebung wird vom Bundesrat und von dem Rrichstage ausgellbt:
ersterer belteht aus den Vertretern sämtlicher deutschen Fürsten und Negierungen,
letzterer aus den vom Volke gewählten Reichstagsabgeordneten. Alle Gesetze bedürfen
der Zuskimmung des Kaifers, bevor sie in Kraft treten können. Seine Majestät der
Kalser verkündet die Gesetze und überwacht vderen Ausführung. Die gesamte deutsche
Kriegsmacht, Landheer wie Marine, sieht unter dem Oherbefebl des Kailsers.
In den nun bolgenden Friedensjahren baute Kaiser Wilhelm I. mit seinem
großen Reichskanzler Fürst Bismarck das neue Deulsche Reich im Innern
aus. Handel und Wandel hoben sich, und der Wohlstand des deutschen Volkes
nahm erheblich zu.
Sein besonderes Interesse wandte der Kaiser dem Wohle der arbeitenden
Klassen zu und erließ 1881 eine Kaiserliche Botschaft in diesem Sinne. 1383
wurde daraufhin auch das Gesetz über die Krankenversicherung, 1#884 ein solches
über die Unfallversicherung eingeführt.
Handel und Gewerbe hoben sich. So gestalteten sich auch durch Ubernahme
eines großen Teils der in privatem Besitz befindlichen Eisenbahnen die Verkehrs-
einrichtungen wesentlich einfacher. Der Ems- Jade-Kanal wurde gebaut, der
Bau des Nordostsee- Kanals begonnen.
Durch Erwerbung der ersten Kolonien (Togo, Kamerun, Angra-Pequena,
Deutsch-Oslafrika) in den Jahren 1884, 1885 erhielien der deutsche Handel und
die Industrie neue Absatzgebiete. Hierdurch gewann auch die neue Reichs-
flotie eine erhöhie Bedeutung, und ihr wandte Kaiser Wilhelm seine volle Auf-
merksamkeit zu. Jeder Deutsche konnte fortan auch außerhalb der Grenzen des
Deutschen Reiches auf deulschen Schutz rechnen, wenn er ihn brauchte, und
hatte nicht mehr nöng, sich unter den Schußtz anderer Mächte zu ftellen.
Zur Befeftigung des Friedens wurde einerseits die deulsche Aremee weiter
verstärkt und ausgebaut, andrerseits im Jahre 1879 ein Schuthbündms mit
Osterreich geschlossen, dem 1883 auch Italien hinzutrat und so den „Drei-
bund“ bildete. Dieser hot sich nun schon über ein Menschenaller und noch
erst kürzlich ganz besonders als Hort des Friedens erwiesen.
Nach den kriegerischen Zeiten konnte sich Kaiser Wilhelm I., unlerstützt durch
seine Gemahlin Augusta, geborene Prinzessin von Sachsen-Weimar (geb. 30. 9.
1811, gest. 7. 1. 1890), noch langer, segensreicher Friedensjahre erfreuen, bis er
am 9. *½ 1888 auch sein lebensmüdes Haupt zur ewigen Ruhe niederlegte.
Noch auf seinem Sierbelager wies er unbewußt auf sein tatenreiches Leben
hin, als er bei seiner letzten Unterschrift die Worte aussprach: „Ich habe keine
Zeit, müde zu sein!“ Ihm folgte sein Heldensohn
Kaiser und König Friedrich III., 3. 3.—15 6 1888#
Als Kronprinz erwarb sich dieser unsterblichen Ruhm auf den Schlacht-
feldern von 1865 und 1870/71. Seine Leitfseligkeit hatte nicht wenig dazu
beigetragen, eine innige Wafsenverbrüderung zwischen den nord- und süddeutschen
Truppen herbeizuführen. Reich begabt, von hohem Interesse für Kunst und
Wissenschaft, stand ihm hierin seine Gemahlin Viktoria, geborene Prmzeß Royal
von England, treu zur Seite.
Noch ehe der damalige König, im Volksmunde „Unser Fritz“ genannt, den
Königsthron bestieg, hatte sich ein unheilbares Leiden bei ihm eingestell! und
warf ihn auf ein langes schmerzvolles Krankenlager. Am 15. Juni 1888 er-
löste Se. Majestäl der Tod. In der Regierung folgle ihm sein Sohn