Full text: Sächsische Volkskunde.

Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 91 
war hier eine andere als dort im Norden. Dort vorwiegend politische 
Motive: ein jüngst erobertes Land, in dem eine Bevölkerung z. T. erst zu 
schaffen, der Besitz erst (politisch) zu sichern war; deshalb in weiten Strichen 
Ausrottung und Vertreibung der Wenden. Hier längst unterworfenes Land 
mit festbegründeter Herrschaft, bei dem es sich wesentlich um wirtschaftlich- 
finanzielle Ausnutzung handelte. 
Neben Erzbischof Wichmann von Magdeburg und Albrecht d. B., die 
über die Elbe hinübergriffen, sind nur zu nennen Wiprecht v. Greitzsch, der 
selbst fränkische Kolonisten herbeiholte, ferner Markgraf Konrad, der eigent- 
liche Begründer des Klosters auf dem Petersberge, Markgraf Dietrich (#1 1185), 
der Erbauer von Landsberg und Schildau, und vor allem Markgraf Otto, 
der um 1162 in fast unbewohnter Gegend Kloster Alt-Zella ins Leben rief 
und mit 800 Hufen ausstattete, die „auf seine Kosten“ gerodet und geur- 
bart waren. 
Abgesehen von Graf Wiprecht trat anscheinend selten einer der Fürsten 
direft mit den Kolonisten in Verbindung. Ihre Beteiligung an der Koloni- 
sation vollzog sich wesentlich durch Vermittlung der Klöster und besonders 
der kleinen ritterlichen Herren. Die ÜUbertragung von Rodeland wurde, wie 
früher die von Sorbenorten, das Mittel, Dienste zu belohnen und zu Diensten 
zu verpflichten, Edle zum Eintritt in die Ministerialität zu veranlassen und 
die Scharen kriegstüchtiger Lehnsmannen zu mehren. Der zahlreiche Über- 
tritt besonders kleinerer Edler in den Ministerialenstand, der gerade jetzt 
stattfand, dürfte zu nicht geringem Teil veranlaßt sein durch die Hoffnung, 
solche Rottlandlehen zu erhalten. 
Ahnlich wie mit den Fürsten verhielt es sich mit der Kirche und den 
großen Grundherren. 
Die Besitzkomplexe der Kirche waren schon längst zum größten Teil in 
Lehen aufgelöst, und der Anbau vollzog sich auch hier wesentlich durch die 
kleineren Lehnsinhaber, die das Land oft erst aus zweiter und dritter Hand 
inne hatten. 
Immerhin aber waren vereinzelt die Bischöfe doch auch persönlich thätig; 
so z. B. Gisiler von Merseburg und Walram und Udo von Naumburg. 
Von Bischof Gerung von Meißen ist uns einer der wenigen Ansiedelungs- 
verträge aus unserm Gebiet erhalten. Er übergab 1154 vlämischen Siedlern 
„in unangebauter und fast menschenleerer Gegend“ seines Landes Wurzen 
das Dorf Kühren zu ewigem und erblichem Besitz. « 
Wirtschaftliche und organisatorische Talente ersten Ranges finden sich 
in den Domkapiteln. Domherr Anselm von Meißen übertrug 1160 ein 
Novale Bucowitz (jetzt Wüstung bei Pehritzsch) an Kolonisten. Über die 
Thätigkeit des Domherrn Konrad v. Boritz in Meißen, seine Güterankäufe, 
Urbarungen, Weinpflanzungen ließe sich eine nicht uninteressante Abhandlung
	        
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