94 Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes.
Der alte Glaubenseifer, die Begeisterung für die Aufgabe des Ordens,
war erstorben; die intelligenten, tüchtigen Laienelemente der früheren Zeit
fehlten; der Rentengenuß erschien bequemer, als die Mühen und Sorgen
eigener Wirtschaft. Kurz — der Verfall der Klöster begann und machte so
rasche Fortschritte, daß sie schon Ende des 15. Jahrhunderts sich nur noch
mit Mühe erhalten konnten.
So haben die Klöster also wesentlich nach zwei Richtungen hin auf den
Anbau des Landes in hervorragender Weise eingewirkt: unmittelbar durch
ausgedehnte Rodungen und Anlagen Ssuis sumptibus et laboribus“, und
mittelbar durch die Einrichtung vorbildlicher Wirtschaftsbetriebe mit ausge-
bildeter Technik, unter Einführung und Pflege einer ganzen Reihe von
speciellen Garten= und Handelsgewächsen.“
Als weitere Momente könnten noch genannt werden die wohlgeordnete
Verwaltung, und die Förderung des Anbaus und der Meliorationen über-
haupt durch Vorstreckung der dazu nötigen Kapitalien.
llberschätzt dagegen wird, soweit unser Land in Frage kommt, die direkte
Thätigkeit der Mönche in Bezug auf Heranziehung und Ansetzung von Kolo-
nisten. Hier ist ein bedeutsamer Gegensatz zwischen den Klöstern, besonders
der Cisterzienser, weiter im Osten, z. B. in Pommern, in den Marken, in
Schlesien, und denen bei uns zu beachten; die letzteren reihen sich in dieser
Beziehung mehr den Klöstern des Mutterlandes, als denen des übrigen
Koloniallandes an.
Das größte Verdienst um die Kolonisierung des Landes haben sich —
abgesehen natürlich von den Kolonisten selbst, den Bauern — zweifellos die
kleinen ritterlichen Grundherren erworben.
Es war bereits darauf hingewiesen, wie das Verlangen nach einer zahl-
reichen, kriegstüchtigen Ministerialität, bisweilen auch finanzielle Not, zu einer
weitgehenden Aufteilung und Zersplitterung der großen Besitzkomplexe der
Fürsten und Grafen sowie der Kirche geführt hatten. Die Folge davon war,
daß im 12. Jahrhundert ein großer, ja wahrscheinlich der größte Teil des
bereits angebauten Landes sich in den Händen kleiner Herren befand.“)
Soweit die Kolonisation also die bereits zur Sorbenzeit mehr oder
minder angebauten Gegenden erfaßte, kamen diese kleingrundherrlichen Güter
für sie wesentlich in Betracht.
Die Beteiligung der Ritter an der Kolonisation ging aber weit hinaus
über die Besiedelung dieses älteren Kulturlandes und seiner Waldmarken.
Es war früher schon erwähnt, daß die Landesherren, und ebenso die
großen Grundherren und die Kirche, doch nur selten selbst mit den Ansiedlern
*) Auch in der Viehzucht leisteten sie Hervorragendes, und die rationelle Fischzucht
wurde recht eigentlich erst durch sie begründet.