98 Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes.
Gemarkung. In diesem Falle entstand, aus wilder Wurzel oder durch Zu-
sammenlegung mehrerer Sorbenweiler, deren Bewohner dann weichen mußten,
ein größeres deutsches Bauerndorf unfern dem alten kleinen Sorbenort, in
dem das Allodium des Ritters lag. — Es ist bezeichnend, daß bei gleich-
namigen Ortschaften in denen mit den Vorsilben Klein-, Wenigen-, Wendisch-,
bisweilen auch Alt-, gewöhnlich Rittersitze und -güter sich finden, während
die Dörfer mit den Vorsilben Groß-, Deutsch-, in der Regel nur aus Bauer-
hufen bestehen oder doch ursprünglich bestanden.
Hier fand also sofort eine Trennung des ritterlichen vom bäuerlichen
Besitz statt, wobei jedoch nähere Beziehungen des Grundherrn zu dem neuen
Dorfe, auch außer Zins und gerichtlichen oder vogteilichen Befugnissen, fort-
dauern konnten. Sein Obereigentum konnte gegenüber dem Nutzungsbesitz
der Bauern bei der großen Nähe sehr leicht wieder aufleben, und die Rechte
in Wald und Weide mochten oft bestimmter Abgrenzung — zu späterem
Schaden der Bauern — entbehren.
Oder aber: der Ritter überließ den Kolonisten das alte Wendendorf und
errichtete abseits auf Rottland oder in einem andern sorbischen Weiler ein
neues Herrengut (bisweilen durch die Vorsilben Rott-, Schloß-, seltener Neu-
von dem nunmehrigen Bauerndorf unterschieden). Auch hier konnten die
eben erwähnten Beziehungen, besonders betreffs Wald und Weide, bestehen
bleiben.
Oder endlich: Ritter und Bauern blieben nebeneinander im alten
Wendendorf sitzen, bisweilen unter Hinzunahme benachbarter Weiler. Dann
konnte entweder die ganze Flur aufgemessen werden, und der Ritter über-
nahm nun eine bestimmte Anzahl (3—6) Hufen zwischen denen der Bauern
(so daß bei Gewannanlagen die Acker beider „im Gemenge" lagen), oder er
behielt in Annäherung an den vorigen Fall — einen zusammenhängenden,
häufig nicht verhuften Landkomplex am Ende des Dorfes für sich, und das
übrige wurde von den Bauern aufgeteilt.
Bei Anlagen dieser Art, besonders bei Gemenglage der gutsherrlichen
und der bäuerlichen Acker, mochte es dem Grundherrn leicht gelingen, gegen
einige besondere Vergünstigungen und geringeren Geldzins von den Kolo-
nisten von vornherein Spanndienste für seinen Acker in knapp bemessenem
Umfang, 3—4 Tage jährlich, zu erlangen. Bei dem Mangel an genügenden
eigenen Gespannen des Gutsherrn') war dies sogar unerläßlich, wenn die
sorbischen Hintersassen nicht beibehalten wurden.
) Erst im 15. Jahrhundert finden sich öfters ritterliche und landesherrliche „Bor-
werke“, die ganz mit eigenen Gespannen bearbeitet wurden. In späterer Zeit, nach all-
gemeiner Durchführung der Frondienstpflicht, siel dies wieder fort; man arbeitete fast
ausschließlich mit bäuerlichen Gespannen.
Die Handdienste wurden meist von Kleinbesitzern sorbischer Abkunft, Kossaten und