Full text: Sächsische Volkskunde.

100 Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 
kommen mindestens soweit zu vermehren, daß es den erweiterten und an- 
spruchsvolleren Haushalt der ritterlichen Familie zu tragen vermochte. Auch 
für die jüngeren Söhne mußte gesorgt werden, soweit sie nicht der Kirche 
sich zuwandten. 
Das nächstliegende war natürlich, daß man von der Gunst des Fürsten 
weitere und größere Lehen zu erlangen suchte. Für viele Edle war dies der 
Grund, ihre alte Freiheit aufzugeben; die Bedingung, unter der sie in die 
Reihe der markgräflichen Ministerialen eintraten. Aber das dem Fürsten 
noch frei zur Verfügung stehende Kulturland war nicht allzugroß; die Ver- 
lehnung besetzter Höse und Dörfer hatte ihre Grenze, während starke Ver- 
zweigung der Familie bald den alten Übelstand auch für die Beliehenen wieder 
hervorrief. 
Es blieb also kaum etwas anderes übrig, als endlich die Menge des 
bisher unangebauten Landes heranzuziehen, dort neue Herrengüter und zinsende 
Bauerhöfe zu begründen, und so aus ihm die Mittel zu gewinnen, die der 
alte Besitz, das alte Kulturland versagte. Da der Anbau des Waldlandes 
auch im höchsten Grade im Interesse des Markgrafen lag, steigender Ein- 
nahmen und steigender Bevölkerung wegen, so zögerte er natürlich nicht, es 
zu diesem Zwecke zu verlehnen. So wurde die Heranziehung von Kolonisten, 
die Anlegung deutscher Bauerndörfer'), für die kleinen ritterlichen Herren zu 
einer gewinnbringenden Unternehmung, und in rascher Folge bedeckte sich nun 
das Gebirge, wie die fruchtbaren Waldgebiete des Flachlandes, mit deutschen 
Siedelungen. 
Bei solchen Neuanlagen auf Rottlandlehen findet sich nicht immer der 
Vorbehalt eines herrschaftlichen Gutes; besonders im Gebirge scheint dies 
relativ selten der Fall gewesen zu sein. (Wo es geschah, lagen die Felder 
desselben häufig am Ende des Dorfes in einem zusammenhängenden unver- 
huften Komplex, seltener als langgestreckte Waldhufen zwischen denen der 
Bauern.) In der Regel erscheinen die Ritter hier nur als Obereigentümer, 
im Genuß der Zinsen und Gülten, und als Herren des Niedergerichtes, das 
von dem Schulzen (Erbrichter, Lehnrichter) verwaltet wurde. 
Solche Dörfer ohne vorbehaltenes Dominium wurden häufig bald nach 
ihrer Anlage von dem Grundherrn mit all ihren Abgaben und Leistungen 
wieder veräußert, wie besonders aus den Erwerbsurkunden der Klöster her- 
vorgeht.“) 
*) Rodungen durch sorbische Hörige kamen natürlich auch vor, aber wohl nur in 
der Nähe eines grundherrlichen Gutes. Bei größerer Entfernung waren damit mancherlei 
Schwierigkeiten verbunden und der Zinsertrag kaum erheblich. Bgl. meine Koloni- 
sierung S. 150. 
oi) Ein Beweis nebenbei für den erwerbsmäßigen Charakter dieser kleingrundherr- 
lichen Kolonisation.
	        
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