Full text: Sächsische Volkskunde.

Ed. O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. 103 
der „Gewanne“, zusammen. Ein Teil der Flur blieb als Gemeinland, Wald 
und Weide, gemeinsamer Nutzung vorbehalten. 
Einige Hufen wurden abgabenfrei mit dem Schulzen= oder Erbrichter- 
amt dem Lokator als erbliches Lehen übertragen;') pro expensis et labori- 
bus in fundacione: ex regimine loci; ratione villicationis, locationis; 
ad jus settenke, bisethinge u. s. w. heißt es bisweilen in den Urkunden. 
Häufig verband sich damit auch die Schankgerechtigkeit (die gegen Zins weiter 
verliehen werden konnte), im ferneren Osten sogar Brau-, Mühl-, Brot= und 
Fleischbankgerechtigkeit. 
Der Schulze (Erbrichter, Lehnrichter) hatte die niedere Gerichtsbarkeit 
und Polizeigewalt zu handhaben, für die Durchführung der landesherrlichen 
Verordnungen zu sorgen, die Abgaben und Leistungen einzutreiben, die Hufen 
besetzt zu halten, und ein Lehnpferd für den Dienst der Herren zu stellen. 
In grundherrlichen Dörfern vereinigte er also mit den obrigkeitlichen Befug-- 
nissen eines öffentlichen Beamten zugleich im Auftrage und Interesse des 
Grundherrn privatrechtliche Funktionen. Von den Gerichtsgefällen (des 
Niedergerichts) erhielt er ein Drittel, der Grundherr zwei Drittel. 
Eine oder zwei weitere abgabenfreie Hufen wurden der Kirche, die sich 
in fast jedem größeren Kolonistendorf erhob, als Ausstattung zugewiesen. 
Die übrigen Hufen wurden mit Bauern besetzt, falls nicht etwa einige 
(4—6) von dem Grundherrn zur Errichtung eines herrschaftlichen Wirtschafts- 
hofes zurückbehalten wurden. 
Ein Kaufgeld wurde in unsern Gegenden anscheinend von den Bauern 
nur selten entrichtet. Bisweilen gaben sie einen ganz geringen Betrag 
(1160 in Buchwitz 6 Denare für jeden Mansus) „ad corroborandam 
justitiam“, „in signum emptae possessionis“, um der Sache den Charakter 
eines Realvertrages zu geben. Den eigentlichen Preis für Grund und Boden 
erhielt der Grundherr in Rentenform, durch die Zinse, Abgaben und sonstigen 
Leistungen der Kolonisten. Der Besitz war erblich, aber nicht überall ohne 
weiteres auch frei veräußerlich, da das Obereigentum dem Grundherrn ver- 
blieb. Bei Orten vlämischen Rechtes erstreckte sich die Vererbung auf sämt- 
liche Blutsverwandte, und die Ehe war mit Gütergemeinschaft und Halb- 
teilung der Hinterlassenschaft verbunden. Sonst waren in der Regel Seiten- 
verwandte ebenso ausgeschlossen, wie illegitime Nachkommen. Bei erbloser 
Erledigung fiel die Hufe an den Grundherrn zurück. 
Ülber die Modi eventueller Veräußerung der Huse findet sich in den 
  
*) In der Regel 2; aber auch, besonders im Osten, 4—6 Hufen, oder je die 4., 6., 
10. Hufe. — Auf diesen Hufen konnte der Lokator nur ihm zinspflichtige Frei= oder 
Lehnbauern ansetzen; einer davon mochte abgabenfrei als „Setz“-Schulze fungieren. So 
besonders, wenn der Lokator ritterlichen oder stadtbürgerlichen Standes war und nicht 
am Ort wohnte. ·
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.