Full text: Sächsische Volkskunde.

132 H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 
Die erste Arbeit besorgte der deutsche Krieger. Sollte sein Wirken 
dauernden Erfolg haben, so mußte er vor allem jene Straßen, auf denen er 
gekommen war, sichern und offen halten. Es geschah dies durch die An- 
legung fester Burgen, namentlich an den Stellen, wo Flußübergänge und 
Pässe zu schützen waren, wo sich Straßen kreuzten. Während des ganzen 
Mittelalters besaßen befestigte Plätze, auch wenn sie von geringem Umfange 
waren, eine viel höhere, strategische Bedeutung als später, seit der Erfindung 
des Schießpulvers. Vor allem waren Burgen und Wälle der beste Schutz 
gegen nomadisierende Horden wie die Ungarn, die im Lande selbst keine 
festen Stützpunkte hatten. So gründete König Heinrich unmittelbar nach 
Besiegung der Daleminzier und Zerstörung ihrer Burg Jahna 928 in deren 
Nähe zur Beherrschung des wichtigen Elbübergangs die Burg Meißen, noch 
nicht die wahrscheinlich von seinem großen Sohn Otto erbaute Burg auf der 
Höhe des Felsens, den heute die Albrechtsburg krönt, sondern eine sogenannte 
Wasserburg an seinem Fuße; vielleicht die erste einer langen Reihe von Be- 
festigungen, die, teilweise im Anschluß an alte flawische Burgen nunmehr im 
ganzen Land, überall wo die natürlichen Verhältnisse es nötig machten, er- 
richtet wurden. Können wir auch im Einzelnen nicht nachweisen, welche 
dieser Burgen von Heinrich und welche von seinen Nachfolgern angelegt 
wurden, so darf man es doch wohl als ein besonderes Verdienst des großen 
Sachsenkönigs in Anspruch nehmen, daß er bei Anlegung der Burgen nach 
einem bestimmten Plane verfuhr; sie dienten nicht bloß zum Schutz gegen 
den Feind, zur Niederhaltung der unterworfenen Bevölkerung, sondern waren 
zugleich Mittelpunkte für die Organisation und Verwaltung des Landes. Zu 
jeder Burg gehörte ein Bezirk, Burgwart genannt; innerhalb desselben war 
der Befehlshaber der Burg, der castellanus, auch der oberste Beamte des 
Landesherrn. Nicht allein das ländliche Aufgebot, die agrarü milites, ver- 
sammelten sich hier, wenn es einen Kriegszug galt, sondern auch alle anderen 
Versammlungen sollten nach einem Gebot König Heinrichs in den Burgen 
stattfinden. Die Burgwarten traten als Unterabteilung des Gaues an die 
Stelle der fränkischen Hundertschaft; aus der Burgwartverfassung hat sich 
die spätere Amterverfassung entwickelt — sie ist somit die Grundlage der 
Verwaltungsgliederung des Landes bis in die neuere Zeit geblieben. Die 
Burgen heißen bei den Schriftstellern jener Zeit nicht bloß castrum, castellom, 
sondern auch oppickum, urbs, selbst civitas, zum Unterschiede von der unbe- 
festigten villa, dem Dorfe. Man hat sie deshalb oft als Städte bezeichnet 
und König Heinrich den Beinamen des Städtegründers gegeben; er ist 
eben so wenig zutreffend wie der jetzt allgemein als unrichtig aufgegebene 
Beiname des Vogelstellers. Wohl aber gehören die Burgen zu den Wurzeln 
der Städte; in ihrem Schutze bildeten sich Ansiedelungen, die man wohl das 
suburbium nannte; manche davon sind in späteren Zeiten zu Städten ge-
	        
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