Full text: Sächsische Volkskunde.

H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 133 
worden, viele andere freilich auch nicht. Vor allem aber wurde die Befesti— 
gung, die das Kennzeichen der Burg war, dann auch ein wesentliches Kenn- 
zeichen der mittelalterlichen Stadt. Man kann sagen: jede Stadt war eine 
erweiterte Burg, aber nicht jede Burg wurde eine Stadt. Noch heute erinnert 
das Wort „Bürger" an den innigen Zusammenhang zwischen Burg und Stadt. 
Den deutschen Kriegern folgten auf denselben Wegen die deutschen 
Priester. Eine dauernde Vereinigung der Slawenländer mit dem durchaus 
auf der Grundlage des Christentums stehenden Reiche war nur möglich, 
wenn es gelang, sie der christlichen Religion zu gewinnen. Ist die Eroberung 
und erste Organisation des Landes das Verdienst König Heinrichs, so wurde 
sein Sohn Otto der Begründer einer wirksamen Missionsthätigkeit. Als 
Mittelpunkt für eine solche schuf er das Erzbistum Magdeburg; ihm wurden 
die drei Bistümer untergeordnet, die 968 speziell für unsere Lande gestiftet 
wurden: Zeitz, dessen Sitz im 11. Jahrhundert nach Naumburg verlegt wurde, 
Merseburg und Meißen, entsprechend den drei gleichnamigen Marken, ebenfalls 
einer Schöpfung Ottos I. Eine schwierige Aufgabe hatten diese Bistümer zu 
lösen; denn zähe hing die slawische Bevölkerung an ihrem alten Glauben. Noch 
im 11. Jahrhundert herrschte weitaus im größten Teile unseres Gebiets das 
Heidentum, auch im 12. Jahrhundert gab es noch zahlreiche heidnische Ein- 
wohner. Wiederholt waren die Bistümer nahe daran zu Grunde zu gehen, 
und Jahrhunderte verstrichen, bevor es zu einer kirchlichen Organisation, zur 
Begründung von Pfarrkirchen kam. Am frühesten erfolgte dies im Westen, 
wo die Verbindung mit dem Mutterlande naturgemäß lebhafter war als im 
Osten. Von Naumburg aus wurde schon um 1080 in Reichenbach eine Kirche 
begründet, die dann freilich noch wiederholt zerstört worden ist; die Marienkirche 
in Zwickau weihte Bischof Dietrich von Naumburg 1118 ein, der Kirche zu Plauen 
wurde 1122 ein weiter Sprengel überwiesen, wie denn überhaupt im 12. Jahr- 
hundert die Pfarrbezirke noch überaus groß waren. Je weiter die Christiani- 
sierung fortschritt, um so mehr Filialkirchen entstanden, die sich nach und nach 
zu neuen Pfarrkirchen entwickelten — ein Vorgang, der noch der näheren Unter- 
suchung bedarf. Wie die Bischofssitze an befestigten Orten angelegt wurden, 
so wählte man auch für die Pfarrkirchen mit Vorliebe den Schutz einer Burg. 
Die Burgen wurden also wie in administrativer, so auch in kirchlicher Be- 
ziehung die Mittelpunkte der umliegenden Bezirke; kirchliche Feste führten 
häufiger als früher die Landleute der Umgegend hier zusammen, und in 
einer Zeit, in der die Verkehrsgelegenheiten seltener waren als heut, mußten 
diese Zusammenkünfte bald neben der kirchlichen auch eine weltliche Bedeu- 
tung gewinnen. Das Wort Messe deutet noch heute auf den kirchlichen 
Ursprung der Märkte; die Wochenmärkte fanden früher oft an Sonntagen, 
die Jahrmärkte an den Tagen der Schutzheiligen der Kirchen statt. So 
wurden die Kirchen eine zweite Wurzel der Städte.
	        
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