H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 135
Zeiten der Karolinger war es ein Vorrecht der königlichen Gewalt geworden:
es hatten sich das Marktregal, das Zollregal und in Zusammenhang damit
das Münzregal ausgebildet. Die Märkte, die sich zumeist spontan aus den
Bedürfnissen der Handeltreibenden entwickelt hatten, wurden nunmehr durch
Privilegien geschützt. Solche privilegierte Märkte gab es z. B. schon in
alter Zeit in Merseburg, Naumburg, Giebichenstein bei Halle; in den Landen
aber, auf die sich unsere Betrachtungen beschränken, kommen sie im 10. und
11. Jahrhundert nicht vor, abgesehen vielleicht von einem Markte zu Strehla
oder Boritz, der in einer Urkunde König Heinrichs IV. für Naumburg von 1065
erwähnt wird. Sehr verfehlt wäre es, daraus schließen zu wollen, daß es
in älterer Zeit überhaupt keine Märkte bei uns gegeben habe; ihr Bestehen
folgt aus der Natur des Handelsverkehrs. Auch die Märkte gehören zu
den wichtigsten Entstehungsursachen der Städte.
Wenn es auch um das Jahr 1100 noch keine Städte in unsern Landen
gab, so war doch der Boden wohl vorbereitet für ihre Gründung: das
von der Natur vorgezeichnete Straßennetz, die Burgen, die Kirchen, die
Dörfer mit ihrer deutschen Gemeindeverfassung, die Märkte — alles das sind
die Wurzeln der Städte. Sehen wir nun, wie sich aus diesen Wurzeln in
überraschend kurzer Zeit ein kräftiger Stamm entwickelt hat.
Wenn man wohl hat behaupten wollen, die deutschen Städte seien zu-
meist allmählich aus ländlichen Ansiedelungen entstanden, so trifft dies für
den ganzen Nordosten Deutschlands und somit auch für unsere Gebiete
nicht zu.
Die ältesten, wichtigsten und bedeutendsten Städte unseres Landes sind
ausnahmslos planmäßige Neugründungen. In Chroniken und Urkunden
freilich finden wir über diese frühesten Städtegründungen überaus wenig.
Andere Quellen dagegen, auf die erst neuerdings — namentlich durch ein
Straßburger Programm von Joh. Fritz (1894) — die Aufmerksamkeit hin-
gelenkt worden ist, bieten uns überraschend reiche Aufschlüsse; es sind dies
die Stadtpläne. Aus dem Mittelalter sind uns allerdings solche nicht über-
liefert, und die Prospekte, ja selbst die meisten Vogelperspektiven des 16.,
17. u. 18. Jahrhunderts gewähren uns kein klares Bild der Stadtanlage. Wo
wir indes keine älteren Pläne haben, da thun auch die der heutigen Städte
gute Dienste. Haus und Hof waren Jahrhunderte lang die Grundlagen
der rechtlichen Existenz des Stadtbürgers, und er hat mit so großer Zähig-
keit daran festgehalten, daß alle die großen Stadtbrände und kriegerischen
Verheerungen der älteren Zeiten den Grundriß der Städte nicht wesentlich
verändert haben. Erst die Gegenwart mit ihren Durchbrüchen bringt das
fertig. Vorläufig ist es noch in der Regel leicht, aus dem heutigen