H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 141
und 1170 ausgestellten Urkunde, auf die wir noch mehrfach zurückkommen
werden, heißt es: quod dominus O. dei gratia Misnensis marchio Lipz
edificandam distribuit sub Hallensi et Magedeburgensi jure; das bedeutet
nicht etwa bloß, er habe einer schon bestehenden Ansiedelung das Magde-
burger Recht verliehen, sondern er verteilte das Stadtgebiet zur Bebauung,
er legte Straßen an. Diese planmäßige Anlage spiegelt sich im Stadtbilde
wieder: den Mittelpunkt bildet der Markt (C), ein langgestrecktes Rechteck,
von dem die Petersstraße nach Süden, die Hainstraße nach Nordwesten, die
Katharinenstraße nach Norden, kleinere Straßen nach Osten und Westen
gehen. Als Kirche für diese neue Stadt wurde wohl auch schon im 11. Jahr-
hundert die Thomas-
kirche (O) gebaut, die J
freilich nicht in so inniger
Verbindung mit dem
Markte steht, wie die
Stadtkirche in Meißen,
vermutlich weil die
Nicolaikirche zunächst
noch Pfarrkirche blieb.
Mit dieser neuen Stadt-
anlage wurde die ältere
um die Nicolaikirche so-
gleich durch die Mauer
verbunden; das erklärt
es wohl, wenn der Durch-
messer des ältesten Leip-
zig größer ist, als der
von Dresden, etwa 600 statt 500 m.
So haben wir hier eine zweimalige Anwendung des Normalschemas;
aber es kommt vor, daß es sich noch öfter wiederholte. Ein merkwürdiges
Beispiel dafür ist die älteste Bergstadt unseres Landes, Freiberg (Fig. 139).
Noch um die Mitte des 12. Jahrhunderts war die Gegend hier ein unbe-
wohntes Waldgebirge; die Cisterzienser von Altzelle, denen das weite Gebiet
überwiesen war, siedelten deutsche Kolonisten an; so entstanden deutsche
Dörfer im Muldenthal: Christiansdorf, Berthelsdorf, Tuttendorf und viele
andere. Der Name des ersteren ist schon Ende des 12. Jahrhunderts ver-
schwunden. Das hängt damit zusammen, daß gerade hier zwischen 1160 und
1170 reiche Silberanbrüche gemacht wurden. Nun tauschte Markgraf Otto
das Gebiet von den Altzeller Mönchen wieder ein und siedelte in Christians=
dorf Bergleute an; sie stammten hauptsächlich aus dem Harz, wo schon Jahr-
hunderte früher Bergbau getrieben wurde; daher nannte man ihre Ansiede-
Fig. 139.