Full text: Sächsische Volkskunde.

142 H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 
lung die civitas Saxonum, die Sachsenstadt, Sächsstadt, wie noch heute der 
östliche Stadtteil von Freiberg heißt (A). Die hier entstandene Jacobikirche 
ist die älteste Pfarrkirche der Stadt; das ganze Mittelalter hindurch fand der 
Freiberger Jahrmarkt am Tage des heiligen Jacobus statt. Aber der Berg- 
segen lockte Ansiedler von allen Seiten an; das Bedürfnis einer Stadtgrün- 
dung lag vor, wenn auch die natürlichen Bedingungen für eine solche nicht 
so günstig waren, wie an den bisher besprochenen Orten. Insbesondere 
hatte die Straße von Nürnberg nach dem Osten, die später über Freiberg 
führte, ursprünglich wohl eine andere Richtung. Nordwestlich von dem Berg- 
mannsdorfe, von ihm geschieden durch die Münzbach, wurde die neue Stadt 
gebaut; ihr Mittelpunkt war der jetzige Untermarkt (C), einst der Altmarkt 
genannt, an den sich als Stadt= und Marktkirche die Kirche Unserer Lieben 
Frau, der spätere Dom (D), anschloß. Wie in Dresden, so entstand auch 
hier im Zusammenhang mit der Stadtgründung ein landesherrliches Schloß (B). 
Schon nach wenigen Jahren genügte diese Anlage nicht mehr; eine zweite 
kleinere gruppierte sich südlich davon um die Nicolaikirche (E). Als aber der 
Strom der Ansiedler noch immer fortdauerte, wurde der Abschluß der Stadt- 
anlage dadurch erreicht, daß man das Normalschema zum dritten Male an- 
wandte und diesmal in besonders regelmäßiger Weise. Der gewaltige Ober- 
markt (F), dessen östliche Seite das Rathaus abschloß, während die westliche 
die erst im späteren Mittelalter durch eine Häuserreihe vom Markt getrennte 
Petrikirche (6) einnahm, bildet mit seinen geraden nach allen Himmels- 
richtungen abgehenden Straßen ein besonders klares Beispiel für die nordost- 
deutschen Stadtanlagen. So ist hier in einem kurzen Zeitraume, der höchstens 
drei Jahrzehnte umfaßt haben kann, eine dreifache deutsche Stadtanlage ent- 
standen, die dann mit dem alten Dorfe, das sich noch heute durch seine un- 
regelmäßigen Straßenzüge als solches kennzeichnet, durch die Stadtmauer 
vereinigt wurde: eine Entwickelung, die lebhaft an das rasche Wachstum 
amerikanischer Bergstätte unserer Zeit erinnert. 
Einfacher erscheinen die Pläne von Zwickau (Fig. 140) und Chemnitz. 
Gräfin Bertha, des Grafen Wiprecht von Groitzsch Tochter, hatte 1118 in 
ihrem Territorium Zwickau eine der Gottesmutter Maria gewidmete Kirche (A) 
begründet und dem Kloster Bosau bei Zeitz überwiesen. Diese Kirche, zu der 
ein etwa 8 Quadratmeilen großer Sprengel gehörte, wurde mit zwei Hufen 
und den Erträgnissen des böhmischen Zolles ausgestattet; ihre Lage am 
Kreuzungspunkte von zwei großen Straßen läßt annehmen, daß schon damals 
bei der Kirche eine Ortschaft bestanden habe, und in der That erinnern die 
in der nächsten Nähe der Kirche liegenden Straßen eher an den slawischen 
Rundling als an eine deutsche Stadtanlage. Später machten die Wettiner, 
die Erbansprüche an das Stammgut der Groitzscher hatten, dem Kloster Bosan 
seine Rechte an der Kirche streitig und erreichten 1212 die Abtretung des
	        
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