H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 145
jenes Normalschema erkennen. Unsere Städte sind planmäßig gegründet worden
und zwar in der Regel neben Dörfern, aber sie haben sich nicht aus Dörfern
entwickelt. Wenn wir so oft gleichnamige, nur durch den Zusatz „Alt-“ von
diesen unterschiedene Dörfer in der Nähe der Städte finden (Altdresden, Alt-
chemnitz, Altmittweida, Altmügeln, Altoschatz, Altwaldenburg, Altlöbau u. s. w.),
so deuten diese Namen und ebenso Bezeichnungen wie Altdorf bei Geithain,
Altstadt Borna, Altstadt bei Ostritz und ähnliche darauf hin, daß neben der
neuen Stadt das ältere Dorf bestehen blieb.
Daß die Zeitgenossen die Begründung einer Stadt als eine bestimmte
Handlung ansahen, darauf deuten auch einzelne Ausdrücke in Urkunden. In
einer Freiberger Urkunde von 1241 ist die Rede von einem Recht, das der
Stadt Freiberg in prima constructione gegeben, in einer Zwickauer Urkunde
von 1295 von einem Brauche, der ab exordio ipsius fundationis gehalten
worden sei.
Die Gründer waren natürlich die Besitzer des Grundes und Bodens, auf
dem die Städte entstanden. Das Land der Slawen war durch die Eroberung
Königsland geworden; auf den König führte in letzter Linie jeder Besitz zu-
rück. Aber die Entwickelung, die der deutschen Geschichte ihren Charakter auf-
gedrückt hat, die Ausbildung der Landeshoheit, die aus ursprünglichen Beamten
des Königs einen selbständigen Fürstenstand entstehen ließ, war namentlich in
den Marklanden zu der Zeit, in der unsere Städte entstanden, bereits soweit
vorgeschritten, daß die Rechte des Königs zum guten Teil auf den Mark-
grafen übergegangen waren. Weitaus die meisten unserer Städte sind
Schöpfungen der Wettiner. Der erste von ihnen, der als Städtegründer ge-
nannt werden muß, war Otto der Reiche (1156—90), dem die Erschließung
der Freiberger Silberminen reiche Mittel für große Unternehmungen in den
Schoß warf: der Chronist meldet, er habe diese Reichtümer benutzt, um
Leipzig, Freiberg und Eisenberg mit festen Mauern zu umgeben. Eine Reihe
weiterer Stadtanlagen geht auf seinen Sohn Dietrich den Bedrängten zurück.
Der dritte endlich, der die von seinen Vätern gelegten Fundamente ausbaute,
die von ihnen gegründeten Städte freigebig mit Privilegien und Rechten be-
dachte und selbst neue (z. B. Pirna) baute, war Dietrichs großer Sohn
Heinrich der Erlauchte. Dem Beispiele der Landesfürsten, der größten
Grundherren des Landes, folgten aber auch andere Großgrundbesitzer.
Chemnitz und Pegau waren wohl Gründungen der betreffenden Klöster; die
Bischöfe von Meißen haben Bischofswerda, Wurzen, Stolpen angelegt. Die
Burggrafen von Meißen gründeten Lößnitz, die Burggrafen von Dohna wohl
Gottleuba, Liebstadt und Ostritz in der Oberlausitz, die Herren von Schön-
burg Geringswalde und Glauchau, die Burggrafen von Leisnig, die Herren
von Crimmitschau, von Waldenburg die Städte, die ihren Namen tragen
u. s. w. Um dieselbe Zeit wurden in ganz gleicher Weise durch die Vögte
Wuttte, söchsische Volkskunde. 2. Aufl. 10