6 S. Ruge: Das sächsische Land.
War mitten in dem grünen Wald,
Ein springends Brünnlein süß und kalt,
Das an dem Falckenstein hehrfloß ...
Mit dem Hinweis auf den Falckenstein kommen wir in die Nähe von
Aschersleben, wo der Stammsitz der Askanier lag, der der Sage nach schon
73 v. Chr. erbaut sein soll. Wie das Gründungsjahr, ist auch die Person des
Stammvaters Askanius oder Aschanes sagenhaft. Denn der Name Aschanes ist
viel älter. In der Form Aschkenas (Luther: Askenas) erscheint er schon in
der Völkertafel (I1. Moses 10, 3) unter den Nachkommen Noahs, wird von
Jeremias (51, 27) zu den Königreichen von Armenien gerechnet und muß
nach Gesenius (Wörterbuch) ein Volk in der Nachbarschaft Armeniens ge-
wesen sein. Zu unserer Uberraschung fügt er hinzu: „Die Juden verstehen:
Deutschland () und brauchen das Wort in dieser Bedeutung“.
Aus allen diesen Betrachtungen geht hervor, daß der Ursprung der
Sachsen im Dunkeln liegt wie der Ursprung aller Völker. Wahrscheinlich
fanden sich mehrere kleine deutsche Völkerschaften unter dem gemeinsamen
Namen, nach der gemeinsamen Waffe, zusammen und nahmen, über die Elbe
nach Süden rückend, noch andere nordgermanische Stämme, wie die Chauken,
Angrivarier und Cherusker in sich auf, die später unter teilweise anderen
Namen als Teile der Sachsen: Ostfalen, Engern und Westfalen heißen.
Nach Ptolemäus vergeht mehr als ein Jahrhundert, bis im Jahre 286
die Sachsen zum zweitenmale erwähnt werden, und zwar als Seeräuber
an den Küsten von Belgien und der Bretagne. Der Volksname hatte sich
also bedeutend ausgebreitet und erstreckte sich bis in die Nachbarschaft der
Franken. Sachsen und Franken standen im Kampfe gegen den Kaeiser
Julianus neben einander. Sachsen und Franken (so berichtet Ammianus
Marcellinus, der Geschichtsschreiber der Völkerwanderung) verheerten zu Lande
und zu Wasser das römische Gallien, wo sie nur konnten, raubten, sengten
und opferten die Gefangenen. Das geschah in den Jahren 368 und 369
unter den Kaisern Valentinian und Gratian; und wenn sie auch einige Jahre
später, 373, bei Deutz am Rhein gründlich geschlagen wurden, sie kehrten
doch zu erneuerten Raubeinfällen immer wieder und blieben Jahrhunderte
lang wegen ihrer Verwegenheit und Raschheit die Schrecken der Bewohner.
Die Räubereien, welche im Laufe des 5. Jahrhunderts das Nordmeer un-
sicher machten, sind wahrscheinlich meist von den überelbischen Sachsen aus-
gegangen. Die den Anfällen der Sachsen ausgesetzte gallische Nordküste hieß
die sächsische Küste (ähnlich wie die Küste Nordlapplands heute noch die
Murmanskische d. h. Normannische Küste heißt, weil die norwegischen See-
züge sich über diese Küste hinaus bis ins weiße Meer erstreckten). Aber erst
nachdem die Franken westwärts gezogen waren, erscheinen auch Sachsen als