Full text: Sächsische Volkskunde.

H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 151 
Gewerbe betrieben. Der Handel wird also damals im Umherziehen betrieben; 
der König als Herr des eroberten Slawenlandes und mithin auch der Straßen 
erhielt eine Abgabe davon. An günstig gelegenen Plätzen, an Straßen- 
kreuzungen, bei Flußübergängen und dergl., an Stellen, wo die Landes- 
produkte, vor allem das Getreide, in besonders reicher Fülle vorhanden waren, 
entwickelten sich ganz von selbst Märkte, wo zu gewissen Zeiten die Kauf- 
leute zusammen kamen, ihre Waren unter sich und mit den Einheimischen 
austauschten. In Gegenden, die wie die unsern nur langsam dem Christen- 
tum und der deutschen Kultur gewonnen wurden, dauerte dieser Verkehr, 
vielfach unterbrochen, wohl Jahrhunderte lang fort, bevor sich auf seiner 
Grundlage dauernde Kaufmannsniederlassungen bildeten. Günstiger lagen 
die Verhältnisse in den zunächst angrenzenden Ländern; in Magdeburg, 
Halberstadt, Merseburg, Naumburg hatte der Kaufmann schon im 10. oder 
11. Jahrhundert festen Fuß gefaßt. Im Bereich des heutigen Königreichs 
Sachsen aber ist das erste Beispiel das Marktprivileg, das König Konrad III. im 
Jahre 1143 dem Benediktinerkloster Chemnitz verlieh; seinen Vorstehern wurde 
gestattet, ein forum publicum, einen öffentlichen Markt, zu errichten, dessen 
Bewohner Zollfreiheit im ganzen Reiche haben sollten. Nicht von dem Rechte 
zur Abhaltung eines Jahr= oder Wochenmarktes, sondern von der Begrün- 
dung einer dauernden Marktansiedlung ist hier offenbar die Rede. Ubrigens 
ist diese Urkund: das einzige Beispiel eines königlichen Marktprivilegs in 
unsern Landen; die grund= und landesherrlichen Rechte des Königs waren 
damals bereits zum größten Teile an die Markgrafen und sonstigen Grund- 
herren übergegangen. Als Territorialherr ordnete 1185 Bischof Martin von 
Meißen die Rechtsverhältnisse in Löbnitz bei Eilenburg, wo neben dem deut- 
schen Bauerndorfe eine Ansiedlung von forenses, eine Marktansiedlung, an- 
gelegt war; im Gegensatz zum ländlichen Rechte der bäuerlichen Bevölkerung 
erhielten die Forensen die Rechte von Halle. Eine Stadt ist aus dieser An- 
siedlung nicht geworden. Meistens aber erscheint der Markgraf als der 
Territorialherr und demgemäß als Inhaber des ursprünglich dem König zu- 
stehenden Marktregals. 
Man kann wohl behaupten, wenn auch das urkundliche Material einen eigent- 
lichen Beweis nicht zuläßt, daß alle unsere älteren, nach dem beschriebenen Normal- 
schema angelegten Städte Marktansiedelungen waren, Ansiedelungen von 
mercatores, denen man die Handwerker, die ja auch für den Verkauf 
arbeiteten, zugesellen kann. Die Marktansiedelung ist, wie dies neuerdings 
in einer gerade für unsere Lande sehr beachtenswerten Schrift von Siegfried 
Rietschel, „Markt und Stadt in ihrem rechtlichen Verhältnis“, überzeugend 
nachgewiesen worden ist, für die Entstehung der Städte das Entscheidende; 
daß zu gewissen Zeiten, jährlich, wöchentlich oder auch täglich, Markt gehalten 
wurde, kommt erst in zweiter Linie, als eine Folge jener Ansiedelung, in Betracht.
	        
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