Full text: Sächsische Volkskunde.

H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 157 
Städte noch heute als ein unantastbares Palladium ansieht. Überall wo 
städtische Rechnungen aus alter Zeit erhalten sind — es ist dies leider bei 
uns nur sehr selten der Fall —, ergiebt sich, daß die Einnahmen aus dem 
Ratskeller einen erheblichen Posten des städtischen Budgets bilden. 
Das Braugewerbe, das nicht zünftig betrieben wurde, führt uns von 
dem Gebiete des Handwerkes auf das der Industrie hinüber. Wenn Sachsen 
heute mehrere der bedeutendsten Industriestädte Deutschlands besitzt, so finden 
wir die Anfänge dieser Entwickelung bereits im Mittelalter. Dabei fällt 
unser Blick vor allem auf den Bergbau, dieses edle Kleinod des Sachsen- 
landes. Die Entdeckung von Silberminen im Gebiete des Klosters Altzelle 
wurde für das Haus Wettin, das alsbald das dem König zustehende Berg- 
regal an sich brachte, von größter Wichtigkeit, machte es zu einem der 
reichsten Fürstenhäuser Deutschlands. Wir sahen, mit welcher Schnelligkeit sich 
aus einer Niederlassung harzischer Bergleute die blühende Stadt Freiberg ent- 
wickelt hat; sie steht in einem gewissen Gegensatze zu anderen Städtegründungen, 
indem sie nicht sowohl den Charakter der Kaufmannsansiedlung hatte, als 
den der Bergmannsansiedlung. In ältester Zeit deckten sich hier nahezu die 
Begriffe montanus, Bergmann, und Bürger; selbst die außerhalb der Stadt 
wohnenden Bergleute hatten einen gewissen Anteil an den bürgerlichen Rechten, 
wie andrerseits der Bannmeilenkreis der Stadt sich über alle Bergwerksgebiete 
erstrecken sollte. Es hatte das freilich die Wirkung, das andere Bergstädte von 
Bedeutung im 12. und 13. Jahrhundert neben Freiberg nicht aufkommen konnten. 
Dippoldiswalde und Siebenlehn, die ebenfalls dem Bergbau ihre Entstehung 
verdankten, blieben in rechtlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit von Freiberg. 
Eine landesherrliche Entscheidung von 1266 bestimmte, daß auf allen Bergen, wo 
gewinnbringender Bergbau stattfindet, nur Freiberger Bier verkauft werden, 
daß man auch die sonstigen Bedürfnisse, die für den Bergbau nötig waren, 
nur von Freiberg beziehen dürfe. Das Freiberger Stadtrecht, das in innigem 
Zusammenhange mit dem Bergrecht entstanden ist, galt auch in Dippoldis- 
walde und Siebenlehn. Als freilich in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, 
zu einer Zeit, wo in Freiberg der Bergbau erheblich zurückgegangen war, im 
oberen Erzgebirge reiche Erzanbrüche gemacht wurden, die eine zweite Blüte- 
periode des sächsischen Bergbaues und zugleich eine zweite Periode von Städte- 
gründungen hervorriefen, ließ sich das alte Recht der Stadt Freiberg nicht 
mehr aufrecht erhalten; die nenen Bergstädte entwickelten sich vollkommen 
unabhängig von Freiberg. Nur eine Erinnerung an die Vorortschaft Frei- 
bergs hat sich bis in die neuere Zeit erhalten: Freibergs Bergschöffenstuhl 
blieb Jahrhunderte lang die Stelle, wo für alle bergrechtlichen Streitigkeiten 
im ganzen Lande Rechtsbelehrung gesucht werden mußte. 
Die Einrichtungen des Freiberger Bergbaues, die Gewinn= und Verlust- 
beteiligung der einzelnen Unternehmer, erscheinen in mancher Hinsicht als
	        
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