Robert Wuttke: Stand und Wachstum. 177
ihnen läßt sich noch heute die planmäßige Gründung erkennen. Sie waren
rein deutsch, slawische Elemente finden sich in ihnen nicht vor. Gegen
Ende des 13. Jahrhunderts ist die Zeit der Städtegründungen vorüber,
vereinzelt wurden auch im Erzgebirge in späteren Jahrhunderten neue Städte
angelegt (die sog. Bergstädte).
Sieht man von einigen Ausnahmen — wie Johanngeorgenstadt — ab,
so kann man sagen, daß seit der Mitte des 16. Jahrhunderts die Zahl der
Städte und Dörfer, ihr Verhältnis zueinander bis zur Gegenwart sich gleich-
geblieben ist.
So lange neues Land urbar gemacht werden konnte, war es der Be-
völkerung leicht sich zu vermehren; dies ändert sich mit dem Ausgang des
15., dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Städte und Dörfer bilden einen
festen Rahmen, innerhalb dessen sich die Bevölkerung mit ihrem Zuwachs
einrichten muß. Neues Land ist nicht mehr verfügbar und nun wird die
Bevölkerung gezwungen, mit größerer Zahl auf kleinerem Raum hauszuhalten.
Es tritt ein Verdichtungsprozeß ein, der von der größten Rückwirkung auf das
gesamte Volksleben erscheint. Freilich läßt sich diese zunehmende Verdich-
tung der sächsischen Bevölkerung für die ältere Zeit nicht statistisch, ziffern-
mäßig nachweisen, es liegen uns aber eine Reihe von indirekten Anzeichen vor.
Untersuchen wir zuerst die ländliche Bevölkerung. Bei der Besiedelung
wurde das Land gleichmäßig unter die eingewanderten Bauern aufgeteilt,
ein jeder im Dorf erhielt den gleichen Anteil an der Feldflur, d. h. nicht
ein gleichgroßes Stück Land, sondern ein Stück Land von gleichem Ertrag;
nur der Unternehmer, der die Bauern ins Land geführt hatte, pflegte meistens
einen größeren Anteil an der Feldflur zu bekommen. Es gab also innerhalb
des Dorfes nur Vollbauern, Vollhufner, die sich wirtschaftlich gleichstanden.
In Sachsen kam dies Verhältnis nicht überall rein zum Ausdruck, denn
neben der germanischen verblieb noch ein Rest der flawischen Bevölkerung.
Sie befand sich in einer gedrückten Lage, sie war die unterworfene Klasse und
ihr bäuerliches Besitztum deshalb auch erheblich kleiner als das der Deutschen.
Trotzdem können wir von der Annahme ausgehen, daß bis in das 15. Jahr-
hundert in den rein germanischen Ansiedelungen noch keine Aufteilung des
Vollbesitzes auf dem Lande eingetreten ist.
Dies ändert sich in der zweiten Periode, die wir von der Reformation
bis zur Begründung des norddeutschen Bundes rechnen. Aus dem 16. Jahr-
hundert stehen uns eine Reihe von Quellen zur Verfügung, die uns Auf-
schluß über die Zusammensetzung der ländlichen Bevölkerung geben. Es
sind dies in erster Linie die Amts= oder Erbbücher. Sie sind hauptsächlich
unter Kurfürst Moritz entstanden; aus der Zeit vor ihm liegen uns 17,
aus der des Kurfürsten August 8 vor, während unter Moritz nicht weniger
als 50 Erbbücher abgefaßt worden sind. Sie enthalten eine genaue Dar-
Wuttke, sächsische Volkskunde. 2. Aufl. 12