S. Ruge: Das sächsische Land. 9
Mittelgebirgen natürliche Sammelbecken für größere und kleinere Völker-
schaften und Staaten mit natürlichen Grenzen geschaffen, im Schollenlande
fehlen bei einförmiger Gestaltung der Landoberfläche die Naturgrenzen; das
unermeßliche Flachland von Osteuropa ist einheitlich, das ganze bildet nur
einen Staat, Rußland.
Aber das große Flachland gehört nicht Rußland allein an, denn es
reicht westwärts durch Norddeutschland bis an die Rheinmündungen. Die
diagonale Scheidungslinie schneidet mitten durch Deutschland und halbiert es
dergestalt, daß der Südwesten dem Faltenlande, der Nordosten dem Flachlande
angehört, wenigstens der jetzigen Oberflächengestalt nach. Deutschland ist
unter allen großen Ländern Europas das einzige, das somit beiden Land-
formen angehört.
Was nun Sachsen insbesondere betrifft, so liegt es zwar hart an der
diagonalen Linie, aber es liegt doch auf der Südseite und gehört daher vor-
wiegend dem Gebirgslande an. Dieses deutsche Gebirgsland, das im Süden
am Juße der Alpen seine Grenze findet, hat man nun nach seinen haupt-
sächlichen Erhebungsrichtungen in drei Gebirgssysteme geteilt: das ober-
rheinische System auf beiden Seiten des Stromes, besonders durch Schwarz-=
wald und Wasgenwald vertreten, mit der Richtung nach NN0, das nieder-
rheinische Schiefergebirge auf beiden Seiten des Rheins zwischen Bingen und
Bonn, mit der Richtung ON0 und endlich das größte, das herzynisch-sude-
tische System, mit der Richtung NW.
Da Sachsen diesem System angehört, müssen wir bei seiner allgemeinen
Charakteristik noch verweilen. Dieses Gebirgssystem besteht aus zwei mehr-
fach unterbrochenen Reihen von einzelnen Gebirgen, die zwar die allgemeine
Richtung nach NW verfolgen, aber je weiter sie nach dieser Richtung streifen,
um so mehr sich einander nähern und zugleich an Höhe verlieren, bis sie
zuletzt ganz in der norddeutschen Ebene untertauchen. Zur südwestlichen
Gebirgsreihe gehören der Böhmerwald, das Fichtelgebirge, der Thüringer
Wald, der Teutoburger Wald; zur nordöstlichen Reihe die sogen. Sudeten
mit dem Riesengebirge, das Lausitzergebirge, der Harz und die Wesergebirge.
Das Erzgebirge verbindet gewissermaßen beide Reihen als ein Querriegel,
indem es genau in der Richtung des niederrheinischen Systems streicht wie
auch zwei von den drei rechtwinklig zu einander gestellten kurzen Ketten des
Fichtelgebirges.
So liegt Sachsen, dessen Hauptteil sich an das Erzgebirge anlehnt,
als ein Bindeglied zwischen den beiden Zügen des sudetisch-herzynischen
Oystems.
Hier muß zunächst etwas über die alten Namen dieses Systems
gesagt werden. Während die Benennungen, oberrheinisches und nieder-
rheinisches System offenbar deutsch sind und keiner Erklärung bedürfen, so