Robert Wuttke: Stand und Wachstum. 185
In der Wirtschaftspolitik August des Starken spielten die Städte, ihre
Verwaltung und ihre Verfassung, eine große Rolle. Bei ihnen suchte er
Anhalt, um seine Reformpläne gegen die Stände durchzusetzen. Unter diesem
Gesichtspunkt hat er auch wahrscheinlich Befehl zu einer umfassenden statistischen
Aufnahme der sächsischen Städte gegeben. Aus 98 Städten gingen die Be—
richte ein, deren Ergebnis — 1697 — in einer großen Tabelle zusammen-
gefaßt wurde. Ehe wir auf sie näher eingehen, sei ein Wort über die Be-
völkerungsgröße der Städte vorausgeschickt.
Sachsen besitzt eine relativ sehr große Anzahl von Städten. Der Zu—
sammenhang mit der Besiedelung ist klar erkennbar; überall, wo Großgrund-
besitz vorherrscht, finden wir wenige Städte, dagegen zahlreiche, wo der Mittel-
und Kleingrundbesitz überwiegt. Und wenn auch Sachsen reich an adligen
Sitzen war, so besaßen diese doch alle einen kleinen Umfang, nur in der
Lausitz gab es große Gutsherrschaften und dort finden wir auch im Ver-
hältnis zu den Erblanden wenig Städte.
Die Mannschaftszählung von 1608 gewährt uns einen Einblick in die
Verteilung städtischer und ländlicher Bevölkerung. In den Amtern und
adligen Flecken und Dörfern wurden 87 023 Mannschaften gezählt; in adligen,
amts= und schriftsässigen Städten 42775 Mannschaften. Folglich wohnte
ein Drittel der Gesamtbevölkerung in den Städten, zwei Drittel auf dem Lande.
Während im Mittelalter Sachsen keine Städte von Bedeutung besaß,
änderte dies sich bald im 17. und 18. Jahrhundert. Für den Ausgang des
Mittelalters hat O. Richter die Einwohnerzahl von Dresden auf 5800 Per-
sonen (1489) berechnet. Die Bergstadt Freiberg war wahrscheinlich etwas
größer. Vergleicht man damit die alten Handelsstädte Süddeutschlands —
nach neueren Untersuchungen hatte z. B. Straßburg 26 200 (1474), Nürn-
berg 26 000 (1450) Einwohner — so sieht man, wie Sachsen an gewerblicher
und handelspolitischer Bedeutung gegen den Süden und Westen Deutschlands
zurückstand.
Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts ändert sich dies. Zwei mächtige
Städte — Dresden und Leipzig — blühen in Sachsen auf. Dresden wächst,
nachdem unter Moritz die Vororte eingemeindet und ein Festungswall die
Stadt umgiebt, so rasch, daß es um die Mitte des 18. Jahrhunderts zu den
volkreichsten Städten Deutschlands gehört und Leipzig entwickelte sich zur
bedeutendsten Handelsstadt Mitteldeutschlands. Der 7 jährige Krieg hemmt
dann auf fast 50 Jahre die Entwicklung.
Die erste sächsische Bevölkerungszählung, die auf diesen Namen Anspruch
machen kann, fand in Dresden am 16. Dezember 1603 statt. Bei ihr wurden
nicht nur die Erwachsenen und Kinder über 12 Jahre, sondern zum ersten
Male auch die Kinder unter 12 Jahre mitgezählt. Das Ergebnis war:
14793 Einwohner — 4061 Männer, 5258 Frauen, 5474 Kinder. Dresden