188 Robert Wuttke: Stand und Wachstum.
die angesessenen. Einen wichtigen Einblick in das gewerbliche Leben ge-
währt die Berufsstatistik; damals wie heute steht in erster Linie die Textil-
industrie, ihr zunächst kommt die Brauindustrie. Letztere war während des
15. und 16. Jahrhunderts die vornehmste „Nahrung“ der Städte. Weit
und breit waren die sächsischen Biere berühmt, sie genossen einen ähnlichen
Ruf wie heute die bayrischen Biere. Jeder Hausbesitzer war Brauer, und
da das platte Land verpflichtet war, aus den Städten sein Bier zu beziehen,
konnte der Bürger mit einem festen Absatz rechnen. An dem stattlichen
Gewinn wollte der Staat aber auch seinen Anteil haben; im 15. Jahrhundert
wurde eine Tranksteuer eingeführt, bei der bald fiskalische Gesichtspunkte die
Oberhand bekamen und die dann langsam die blühende heimische Brauindustrie
zum Ersterben brachte. Gegen Ausgang des 18. Jahrhunderts wird allseitig
über die Abnahme des Wohlstandes der sächsischen Städte geklagt und der Rück-
gang in erster Linie auf das völlige Darniederliegen der Brauereien geschoben.
Die Einteilung der Städte in den Erblanden in schriftsässige, amts-
sässige und adlige ist schon erwähmt worden. Die Obersteuereinnahme ging
in ihren Steuerausschreiben (1702—1782) von einer anderen, mehr die
wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigenden, Einteilung aus. Sie unter-
schied drei Klassen von Städte:
I. Großstädte: 2, Dresden und Leipzig.
II. Mittelstädte: 43, mit einer Durchschnittsbevölkerung
von 1735 Personen über 12 Jahre (1697).
III. Kleine Städte: 59, mit einer Durchschnittsbevölkerung
von 560 Personen (1697).
Statistische Zahlen aus früheren Jahrhunderten sind, wenn wir sie auf
ihre Richtigkeit nicht nachprüfen können, immer mit großer Vorsicht auf-
zunehmen. So findet sich in den Akten des Hauptstaatsarchivs eine Notiz.
„Was sich Ad. 1707 in Sachsen an Städten, Dörfern, Kirchen und Mann-
schaften befanden;" nämlich: 1665 Städte, 17 893 Dörfer, 13 978 gangbare
Kirchen, 63292 Zeugmacher und Leineweber, 32417 Tuchmacher, 8467 Schneider,
2326 607 Bauern, 8 498 900 Bürger ohne die Ratsherren, 51 800 832 junge
Mannschaft u. s. w. Diese Zahlen, denen man auf den ersten Blick an-
sehen sollte, daß sie aus der Phantasie geschöpft sind, haben bei ernsten
sächsischen Historikern und Statistikern Beachtung gefunden. Böttiger in
seiner Geschichte des Königreichs Sachsen erwähnt sie, und in den „Geogra-
phischen Spezialtabellen des Churfürstenthum Sachsen“ (Leipzig 1747) werden
sie mit kleinen Abänderungen z. T. wiederholt; aber die 8467 Schneider
reichten jetzt nicht mehr aus, es mußten 80 467 Schneider werden.
Über die Gesamtbevölkerung des Landes giebt uns eine 1706 abgehaltene
Mannschaftszählung Aufschluß. In der Tabelle, die am 24. April 1706 dem
König zuging, fehlte der Neustädter Kreis.