Robert Wuttke: Stand und Wachstum. 191
Über die Gebürtigkeit der Bevölkerung erhalten wir jetzt auch Aufschluß.
Seit dem 17. Jahrhundert waren die Staaten darauf bedacht, „volkreich“ zu
werden. In der Vermehrung der Bevölkerung erblickte man ein Anzeichen
blühender Volkswirtschaft. Die Folge dieser Theorie war eine Reihe von
Gesetzen, die den Eingeborenen den Abzug außer Landes zu erschweren, den
Einwanderer die Niederlassung zu erleichtern suchten. Die freie natürliche Be-
weglichkeit der deutschen Bevölkerung wurde unterbunden. Der Zweck, die
Bevölkerung zu vermehren, wurde in den seltensten Fällen erreicht. Auch
für Sachsen dürfen wir annehmen, daß seine Bevölkerung sich selbst ergänzte,
und daß nur ein schwacher Zustrom aus anderen deutschen Landen nach
Sachsen sich ergoß. Statistische Belege giebt es nicht, als ein Beweis für
die aufgestellte Behauptung mag die Gebürtigkeitsstatistik des Leipziger Kreises
dienen. Nach der Tabelle waren 41 691 in den königlichen Landen 1839
außerhalb geboren.
Anders liegen die Verhältnisse in Dresden. Hier zog der prunkvolle Hof
aus allen Teilen Europas Fremde an, die ihr Glück machen wollten. Und sicher
gelang es manchen, festen Fuß in Dresden zu fassen und sich eine neue Existenz
zu gründen. Bei einer Zählung, die in Dresden 1708 stattfand, wurden die
Hauswirte gefragt, wo sie geboren wären. Nicht das ganze Zählungs-
material ist mehr erhalten, die Hänserlisten liegen nur teilweise vor; im ersten
Viertel der Stadt waren ein Drittel der Hauswirte in Dresden, zwei Drittel
auswärts geboren. Den Norden wie den Süden Deutschlands finden wir
unter den angegebenen Heimatsorten gleichmäßig vertreten. Die Fremden
überwogen also die Einheimischen, sie waren die wirtschaftlich stärkere Klasse
geworden. Die Diener, Lakaien, Handwerker und Burschen wurden in
besonderen Tabellen, die nach der Gebürtigkeit gruppiert waren, aufgenommen.
Es gab ihrer in Dresden 1708: allhier geboren 79,
in kurfürstlichen Landen geboren 857,
in fremden Landen geboren 268.
Ein weiterer Beweis des starken Zuzuges fremder Elemente.
Ülber die Bevölkerungsgröße des Kurfürstentums Sachsen seit der Mitte
des 18. Jahrhunderts sind wir, trotzdem in diesem Zeitraum zahlreiche Er-
hebungen stattfanden und die statistische Methode sich wesentlich verfeinerte,
recht schlecht unterrichtet. Noch ein großes weites Gebiet wissenschaftlicher
Forschung liegt vor uns. Gegen den Ausgang dieses Jahrhunderts erscheinen
eine ganze Reihe von statistischen Arbeiten über Sachsen, es ist eine litterarisch
fruchtbare Zeit und mit Staunen fragt man: wo waren die Leser dieser um-
fangreichen und trocknen Werke? Nur einige der größeren Arbeiten seien
genannt:
Canzler, J. G. Tableau historigue des alffaires politiques et
éGconomiques de I’électorat de Saxe. Dresden und Leipzig 1786.