Full text: Sächsische Volkskunde.

S. Ruge: Das sächsische Land. 11 
herzynischen Waldes, das sie den Kelten abgenommen, war Böhmen, dessen 
sich die Markomannen bemächtigt und wohin zur Zeit des Arminius Marbod 
seinen Hauptsitz verlegte. Sein Reich lag mitten im herzynischen Walde. 
Der zweite alte Name Sudeten kommt zuerst 150 n. Chr., bei Ptole- 
mäus als ein mitteldeutsches Gebirge vor. Als man im 16. Jahrhundert 
beim Wiedererwachen der geographischen Wissenschaften die alten Namen zu 
fixieren suchte, hat man, wie auch bei andern Gebirgen, sich in der Festlegung 
der Sndeten geirrt und die Grenzgebirge zwischen Böhmen und Schlesien 
dafür gehalten. Noch vor 50 Jahren stand auf österreichischen Karten der 
Name, recht groß eingetragen, ostwärts von Schandau angefangen, umfaßte 
also auch die sächsische Schweiz zum Teil. Später schob man den Namen 
weiter nach Osten und ließ ihn erst jenseits der Lausitzer Berge anfangen; 
und heutzutage gehört oft auch das Riesengebirge nicht mehr dazu. Es war 
jedenfalls nur Willkür der Kartographen, die den Namen immer mehr nach 
Südosten verrückte, während eine kritische Untersuchung der Frage ihnen 
hätte sagen müssen, daß nach den Angaben des Ptolemäus die Sudeten viel 
weiter westlich zu suchen seien. Jetzt können wir mit Zuversicht erklären, 
daß eigentlich der Thüringer Wald, vielleicht auch noch das Fichtelgebirge, 
darunter zu verstehen war. Wenn nun unser Erzgebirge zwischen Thüringer 
Wald und Riesengebirge gewissermaßen, wenn auch mit veränderter Richtung 
die Kette schließt, so hat es gar nichts Überraschendes, wenn im 17. Jahr= 
hundert sächsische Lokalforscher der Meinung waren, das Erzgebirge seien die 
eigentlichen Sudeten; nur hätten sie nicht auf den ganz verfehlten Gedanken 
kommen müssen, das Wort Sudeten aus dem Deutschen erklären zu wollen und mit 
Hinweis auf den ehemals unbewohnten Urwald im Süden der Mark Meißen 
mit „Süd-Oden“ zu deuten, wobei die sächsische Aussprache den Klang beider 
Namen noch näher aneinander rücken sollte. 
Jedenfalls hatten die Bergzüge der Sudeten und Herzynen ganz nahe 
Beziehungen zu den Landschaften, die heute das Königreich Sachsen bilden. 
Für unser Land kommt von dem genannten Gebirgssystem namentlich 
der nordöstliche Flügel zwischen Riesengebirge und Harz in Frage. Dieser 
herzynische Zug bildet die Grenze zwischen den südwestlichen deutschen Ge- 
birgslandschaften und der nordöstlichen deutschen Ebene, die sich bis an die 
Nord= und Ostsee erstreckt. 
Sachsen liegt zwar in Mitteldeutschland, neigt sich aber seiner ganzen 
Natur, seiner Abdachung nach nur Norddeutschland zu, während es von 
Süddeutschland durch wasserscheidende Kämme getrennt ist. Alle Flüsse 
des Landes gehen nach Norden oder wie der Hauptstrom, die Elbe, nach 
Nordwesten, und an diesem Strome aufwärts von Holstein her hat sich, wie 
in der Einleitung bereits bemerkt worden ist, der Name Sachsen immermehr 
nach Südosten bis auf den Kamm des Erzgebirges verschoben.
	        
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