226 Robert Wuttke: Die Bevölkerungsgliederung.
Zustände; nur ein kleiner Bruchteil der heiratsfähigen Bevölkerung vermag
nicht einen eigenen Hausstand zu gründen.
Die „Frauenfrage“ spielt in der Gegenwart eine große Rolle und
sicherlich kann die Zunahme der erwerbsthätigen Frauen, wie sie die letzten
Berufszählungen auf fast allen Gebieten unserer Volkswirtschaft gezeigt
haben, nicht ohne Rückwirkung auf das soziale und sittliche Leben unseres
Volkes bleiben. Ein Irrtum aber ist es, zu behaupten, daß, weil in
Deutschland das weibliche Geschlecht an Zahl das männliche überwiegt, die
Frauen zur Ehelosigkeit verurteilt wären und deshalb aus der Familie in
das Erwerbsleben gedrängt würden. Die Zunahme der erwerbsthätigen
Frauen beruht auf wirtschaftlichen und sozialen Ursachen, nicht aber auf
dem sog. Frauenüberschuß und der dadurch bedingten Ehelosigkeit. Sachsen
ist der in gewerblicher Beziehung am weitesten fortgeschrittene deutsche Staat
und doch überwiegt bei ihm die ledige männliche die ledige weibliche Bevölkerung.
Es wurden 1895 gezählt:
Altersklasse ledige männliche ledige weibliche Personen mehr männliche
20—25 Jahre 152 004 126 473 25 531
25—30 „ 57 808 44 235 13578
30—35 „ 19985 19 485 500
35—40 „ 10250 12 145 mehr weibliche 1895
mehr männliche 37 709
Wir haben schon den Frauenüberschuß eingehend behandelt und nach-
gewiesen, auf welche Altersklassen er sich verteilt; die Möglichkeit jedoch, im
heiratsfähigen Alter zu heiraten, ist, wie die Tabelle zeigt, den weiblichen
Personen in Sachsen nicht benommen; im Gegenteil, die Lage der männlichen
Personen ist ungünstiger, denn sie und nicht die weiblichen Personen sind
es, die einen Überschuß aufweisen.
Vergleichen wir die Zahl der Ledigen in Sachsen mit der in anderen
Staaten, so erweist sich auch hier wieder, daß Sachsen eine Ausnahmestellung
einnimmt; durchgängig zeigt es in der Tabelle auf S. 225 die Niedrigst-
ziffern in allen Altersklassen, sowohl bei dem männlichen wie bei dem weib-
lichen Geschlecht mit einer Ausnahme: in der Altersklasse 15—40 Jahren
haben Frankreich und Italien weniger ledige weibliche Personen. Es kommt
also in keinem der verglichenen Staaten ein so großer Anteil der männlichen
und weiblichen Bevölkerung wie in Sachsen zur Eheschließung.
Schließlich haben wir noch das Zahlenverhältnis der verwitweten und
der geschiedenen Personen zu untersuchen; die Zahlen, die wir anführen, sind
nicht fehlerfrei, denn eine große Anzahl von Geschiedenen pflegt sich bei
Volkszählungen als verwitwet einzutragen; einzelne Staaten haben deshalb
auch Bedenken getragen, die Geschiedenen von den Verwitweten zu trennen
und in der Tabelle auf S. 225 haben wir beide zusammengefaßt; die deutsche