Full text: Sächsische Volkskunde.

14 S. Ruge: Das sächsische Land. 
nicht den ganzen Gebirgszug, sondern nur die Gegenden im Gebirge, wo sich 
Erzgruben fanden. Das waren in diesem engeren Sinne „die Erzgebirge“, 
über die eine besondere Verwaltung eingesetzt wurde, seitdem sich namentlich 
im höheren Teil des Gebirges die Gruben vom Ende des 15. Jahrhunderts 
an vermehrten. Für diese Verwaltung wurde, wie es scheint, zuerst unter 
Vater August 1558, ein „Hauptmann der Erzgebirge“ eingesetzt. Das war 
also der oberste Beamte des Bergbaudistrikts. Orographisch hätte der Titel 
keinen Sinn; aber der Name des Gebirges hat sich im Laufe der nächsten 
Jahrhunderte doch daraus entwickelt, so daß man im 18. Jahrhundert den 
Namen Erzgebirge, Obererzgebirge, nicht bloß im montanistischen Sinn, 
immer mehr zur Geltung kommen sieht. Aber auf Landkarten habe ich ihn 
in der Form „das Erzgebirge" nicht vor dem Jahre 1815 nachweisen 
können.') Der Metallreichtum allein hat also den alten Namen Böhmer 
Wald zu verdrängen vermocht. 
Das Erzgebirge — denn wir fangen die eingehende Beschreibung 
mit diesem ältesten und wichtigsten Gebirge an — besteht aus rotem und 
grauem Gneis (im grauen Gneis hauptsächlich trifft man auf Silberadern), 
Glimmerschiefer und Thonschiefer, die von Massen von Granit und Porphyr 
und auch von Erzgängen durchsetzt sind. Am nördlichen Rande lagern 
Grauwacke, Steinfohlenformation und Rotliegendes, am östlichen Rande 
Quadersandstein (sächsische Schweiz). Das Gebirge verdankt seine jetzige 
Gestalt einer einseitigen Hebung, als seine Massen durch die Spalten und 
Brüche am Egerthal von der übrigen böhmischen Scholle getrennt waren. 
Infolge der einseitigen Hebung hat das Gebirge zwei verschiedene Abdachungen, 
eine kurze, steile nach Süden gegen Böhmen, eine lange, sanfte nach Norden 
in Sachsen. So beträgt die Luftlinie vom Keilberge, dem höchsten Gipfel 
des Gebirges, 1243 m hoch, bis nach Zwickau (266 m) 50 km, dagegen 
vom Keilberg bis zum Egerthal (325 m) nur 9 km. Der näördliche Abfall 
ist hier also wenigstens 5 mal so lang, während der Fuß des Gebirges im 
Norden und Süden ziemlich gleich hoch liegt. ÜUbrigens wird der Steilabfall 
nach Osten zu, mit abnehmender Höhe des Gebirges, immer kürzer. So be- 
trägt er vom Bernsteinberge (921 m) südlich vom Katharinenberg bis Ullers- 
dorf (243 m) bei Eisenberg nur 5 km Luftlinie, ebenso zwischen Zinnwald 
und Eichwald und vom Mückentürmchen nach Mariaschein gar nur 3 km. 
Dementsprechend wird nach Osten zu auch der nördliche Abhang kürzer und 
ist zwischen Nollendorf und Tharandt nur noch 36 km lang. 
Während der Südfuß des Gebirges durch seine Steilheit überall sofort 
in die Augen fällt, kann man die Nordbegrenzung, abgesehen von dem Ge- 
steinswechsel, der im sächsischen Mittelgebirge auftritt, nur in einer gewissen 
*) Vgl. meinen Aufsatz: die Namen des Erzgebirges, im ersten Jahrbuch des Erz- 
gebirgs-Zweigvereins Chemnitz 1888.
	        
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