236 Robert Wuttke: Verbrechen und Selbstmord.
Zunahme der Roheitsvergehen. Man ist heute vielfach geneigt, alle und
jede sittliche Erkrankung des Volkskörpers auf die wirtschaftlichen Zustände
zurückzuführen und man behauptet, die Menschen seien für ihr sittliches Thun
und Handeln nicht voll verantwortlich, Schuld an allem Übel sei die
jeweilige Wirtschaftsordnung. Wie in jeder Theorie, so ist auch in dieser
ein richtiger Kern, der nur durch falsche Schlüsse verdunkelt wird. Jedes
Eigentumsvergehen bedeutet einen Eingriff in die Wirtschaftsordnung, es
steht folglich in enger Beziehung zu den wirtschaftlichen Verhältnissen; in
Zeiten blühender Volkswirtschaft nehmen erfahrungsgemäß die Eigentums-
vergehen ab, um in schlechten Zeiten wieder anzuschwellen. Als einen Beweis
einer gesunden wirtschaftlichen Entwickelung im Deutschen Reich kann man den
Stillstand sowie den Rückgang der Eigentumsvergehen in den letzten Jahr-
zehnten ansehen. Wäre die eben angeführte Theorie richtig, dann müßten
sich die Rohheitsvergehen auf derselben Linie wie die Eigentumsvergehen
bewegen. Dies trifft aber für Deutschland, wie wir gesehen haben, nicht zu
und die Ursache ist leicht erkennbar; die Roheitsvergehen bedeuten eben
keinen Eingriff in das Eigentum, wohl aber in das Recht der Persönlichkeit.
Sie zeugen in beredter Sprache dafür, wie in weiten Volkskreisen Zucht
und Sitte sich lockert.
Auf 100000 strafmündige Personen der Civilbevölkerung kamen Ver-
urteilte") wegen:
Nötigung und Drohung Raubs Sachbeschädigung Meineids
c achsen, Dusches Sochsen, Dlisches Sachsen Dzuches Sachsen
1882/91: 19 9 1,3 0,7 39 25 2,6 1,6
1892: 25 7 1,4 0,7 42 24 2,2 1,5
1894: 29 9 1,3 0,7 47 24 2,2 0,9
Hausfriedensbruchs Verleczung der Beleidigung Hehlerei
Wehrpflicht "
dsachsen, Doltsches Saten Däutsches Sachen Dautlches Sacsen
1882/91: 47 31 56 18 130 128 23 20
1892: 50 29 53 12 132 110 26 21
1894: 54 36 49 12 147 117 22 17
1895: 55 35 —- — 146 106 21 16
1896: 56 37 — — 147 109 20 15
*) wegen Nötigung und Drohung wegen Raubs
Preußen Bayern Württemberg Baden Preußen Bayern Württemberg Baden
1882 91: 18 28 25 25 1.5 1,8 1,8 0.6
1892: 26 39 82 28 1.6 1,8 1,6 0.7
1894: 29 45 92 34 1.4 1.3 0·6 1.0