16 S. Ruge: Das sächsische Land.
im ganzen Gebirge nicht. Der höchste Übergang erreicht bei Gottesgab sogar
die Höhe von 1080 m. Nach gleichem Verhältnis müßte der höchste Alpen-
paß 4167 m hoch sein. Und hier sind nur die höchsten Alpenpässe zum
Vergleich herangezogen. Hohe Straßenübergänge sind also eine charakteristische
Eigentümlichkeit des Erzgebirges. Unter 18 wichtigen Straßen finden sich
nur zwei, nämlich die von Deutschneudorf nach Brüx führende, mit 663 m
Höhe und die über Nollendorf nach Teplitz gehende, mit 679 m, die unter
700 m aufweisen. Und das sind natürlich auch diejenigen, die schon im
früheren Mittelalter nachweisbar sind. Wenn außer diesen gegenwärtig fünf
Straßen zwischen 700 und 800 m, sechs Straßen zwischen 800 und 900 m,
zwei über 900 m und zwei über 1000 m Paßhöhe erreichen, so hängt diese große
Zahl von hohen Gebirgsstraßen der neuen Zeit mit der überaus dichten Be-
völkerung des Erzgebirges zusammen, die beim Beginn des Bergbaus ihren
Anfang nahm und mit dem Aufblühen zahlreicher Gewerbszweige sich noch
steigerte. Dem Zeitalter der Judustrie gehören auch die beiden Eisenbahnen
an, die den Kamm des Gebirges überschneiden, die Eisenbahn von Sebastians-
berg (825 m) nach Komotau und die Bahn von Moldau (790 m) nach
Brürxr.
Die nachhaltigste Veränderung erfuhr das äußere Ansehen des Gebirges
mit der Entdeckung der Silberadern im 12. Jahrhundert. Das früher wegen
seiner Unwirtlichkeit gemiedene Gebirge wurde nun aufgesucht. Daß die
Mönche von Altzelle, dem 1162 gegründeten ältesten Kloster in Sachsen, in
der Nähe des heutigen Freiberg die Erze zuerst nachgewiesen haben, wird
jetzt allgemein angenommen. Freiberg war vom 13.—15. Jahrhundert das
wichtigste Silberbergwerk Deutschlands. —
„Silber hegen seine Berge,
Wohl in manchem tiefen Schacht.“ J. Kerner.
Und dieser Reichtum wurde erst 1466 durch den Silberfund auf dem
Schneeberg und 1492 durch den Silberfund auf dem Schreckenberge beie
Annaberg in Schatten gestellt. Damit verschob sich der Schwerpunkt des
Bergbaus nach dem hohen Erzgebirge, das von da allmählich den jetzt üb-
lichen Namen erhielt. Auch an anderen Orten begann der Bergbau und so
wurde das Gebirge mit so zahlreichen Städten besiedelt, wie sie kein anderes
Gebirge aufzuweisen hat. Auch waren die Verwitterungsprodukte der kristal-
linischen Gesteine günstig für den Ackerbau, soweit es die Höhenlage ge-
stattete. Nach dem Niedergange des Bergbaus trat die Industrie an die
Stelle und zog in noch stärkerem Maße die Bevölkerung ins Gebirge, so
daß dasselbe dichter bewohnt ist, als die mittlere Dichtigkeit des Deutschen
Reiches aufweist, und daß im höheren Gebirge in einer Höhenlage von mehr
als 600 m noch einmal so viel Städte in Sachsen liegen, als im übrigen
Deutschen Reiche zusammen. Die höchstgelegenen sind (abgesehen vom