Hermann Dunger: Volksdichtung in Sachsen. 273
Doch ist er bereit, Knechte und Mägde zu „examinieren und sie auf die
Dauer zu vexieren“. Auf die Frage des Heiligen Christ über das Verhalten
der Knechte und Mägde erwidert er, sie wären gewinnsüchtig und trachteten
„spät und früh, was sie kriegen für ihre Müh“; er soll ihnen als „Heilgen-
christgeschenk“ geben „Prügelsuppen und Maulschällen, Ziegenspeck und
Pferkorallen“.
Jetzt mengt sich auch der kleine Ruprecht ein (S. 26):
Ei, so muß ich mei Maul a drinne hob'n,
Sonst fressen mein Ranzen die Grillen und die Schwob'n.
Heut is gewesen ene kalte Nacht,
Kälter hätt' ich's net gedacht,
Ich kunnt vor Kält bald nimmer stahn,
« Ich mußt e bissel af mein Feld rumgahn.
Also auch hier finden wir die Klage über die Kälte im Freien. Darauf
treten Joseph und Maria auf, die eine Herberge in Betlehem suchen. Der
Wirt hat keinen Platz wegen der vielen „kaiserlichen Abgesandten, die allhier
sein“. Schließlich weist er ihnen den Stall an; und als Maria erwidert,
was sie denn „in dem Stall bei dem unvernünftigen Vieh“ solle, da wird
sie von Joseph getröstet (S. 28):
Maria, es ist halt Gottes Geschick,
Wir frommen Leut haben halt kein Glück.
Wir wollen uns af e Winkele machen,
Gott wird schicken alle die Sachen.
Hierauf wird den Hirten die Geburt des Herrn durch die Engel ver-
kündigt, die Hirten treten an Joseph und Maria heran mit den Worten:
Ei schönen guten Abend, mein lieber Papa,
Treffen wir das neugeborne Kindlein hier a?
Sie beten das Kindlein an und beschenken es, und nach dem Gesange
von Weihnachtsliedern mahnt zum Schlusse der Heilige Christ die Kinder
zu Gottesfurcht.)
Man sieht schon aus diesem kurzen Überblicke, daß hier uralte Über-
lieferungen zu Grunde liegen. In dem Heiligen Christ, der bei seiner
eigenen Geburt zugegen ist, haben wir einen Rest des alten Heidengottes
Wodan zu erkennen, der zur Zeit der Wintersonnenwende seine Umzüge auf
der Erde machte, in dem lustigen, ungeschlachten Knecht Ruprecht den alt-
germanischen Donar. Gerade diese Lieblingsrolle enthält viele echt volks-
tümliche Züge. Aber auch sonst sind diese Weihnachtsspiele sehr anziehend,
sie verdienen gesammelt und herausgegeben zu werden. Mosen hat ja
manches in dankenswerter Weise veröffentlicht, aber er verfolgt in seiner
*) Den Text eines ähnlichen Weihnachtsspieles aus dem Erzgebirge, einer Königs-
schar, vom Jahre 1804, hat C. von Weber in den Mitteilungen des sächsischen Alter-
tumsvereins vom Jahre 1874 (Heft 24) abdrucken lassen.
Wuttke, sächsische Bolkskunde. 2. Aufl. 18