Eugen Mogt: Sitten und Gebräuche im Kreislauf des Jahres. 305
Natur und unter den Geschöpfen regte. In allen möglichen Scherzen machte
man dieser Freude Luft. In den einfachen volkstümlichen Verkleidungen zu
Fastnachten, wie in der Kostümierung des Brezeljungen in verschiedenen
vogtländischen Städten oder in den einfachen volkstümlichen Maskeraden,
haben wir Überbleibsel solch kindlicher Lust aus alter Zeit. Narrenfesten
dagegen, wie wir sie in den romanischen Ländern und hier und da auch in
westdeutschen Städten finden, ist unser Volk immer abhold gewesen. Im
fränkischen Vogtlande hat sich ferner, geradeso wie in Thüringen, das Tod-
austragen am Sonntag Lätare bis in unsere Zeit erhalten: Eine Stroh-
puppe, die den Tod darstellen sollte, wurde auf eine lange Stange gebunden,
durch das Dorf geschleppt und dann ins Wasser, den Teich oder einen
Brunnen, geworfen. Das nannte man den „Tod austragen“ und hoffte
hierdurch den Ort, wo es stattfand, vor ansteckenden Krankheiten zu schützen.
Kamen doch nach altem Volksglauben mit der wiederkehrenden Sonne auch
zugleich die schädigenden und krankheitbringenden Dämonen in das Land, und
diese mußten gleich bei dem Eintritt des Frühlings abgewehrt werden, damit
sie auf den Feldern keinen Schaden anstifteten, zu deren Bestellung man sich
eben anschickte. In diesem Glauben wurzeln auch die Osterfeuer, die wir
heute noch in verschiedenen Gegenden in der Osterwoche auf den Feldern
lodern sehen. Das gleich zu erwähnende Johannisfeuer wird uns die Sitte
dieser Feldfeuer verständlich machen. In einer weiteren Reihe volkstümlicher
Bräuche, die wir ebenfalls in der Osterzeit antreffen, soll das Erwachen der
Natur, der frische Zeugungstrieb der Erde, der Pflanzen, der Tiere und
Menschen symbolisch dargestellt werden. Zwischen Natur und Geschöpf,
glaubte man, bestehe der engste Zusammenhang, und so mußten die ersten
Keime der Natur und des animalen Lebens auch die Fruchtbarkeit der
lebenden Wesen bewirken. Aus diesem kindlichen Glauben erklärt sich der
Genuß der Ostereier und der weit verbreitete Schlag mit der Lebensrute,
der an weiblichem Vieh und jungen Mädchen geübt wird. In dieser Zeit
geben auch junge Pflanzen, giebt das fließende Wasser neue Lebenskraft.
Daher sind jene sowohl wie das Osterwasser beliebte volkstümliche Mittel
gegen gewisse Krankheiten. Neun verschiedene Kräuter, so schreibt noch in unserem
Jahrhundert im Erzgebirge der Volksglaube vor, soll man am grünen
Donnerstage sammeln und essen, dann bleibt man das Jahr über gesund.
Ursprünglich war die Sitte, junge Pflanzen zu sammeln und zu essen, an
keinen bestimmten Tag gebunden, sie herrschte im ganzen Frühlinge. Als
aber unter dem Einflusse der Kirche der Donnerstag vor Ostern den lateinischen
Namen dies viridium „Tag der grünen Kräuter“ erhalten hatte und
diese Bezeichnung um 1200 mit „grüner Donnerstag“ verdeutscht war, da
legte man die alte Sitte auf diesen Tag fest. Das Kräutersammeln, das
einst an ihm eine so hervorragende Rolle gespielt hat, ist heute in den Hinter-
Wuttke, sächsische Volkskunde. 2. Aufl. 20