Full text: Sächsische Volkskunde.

306 Eugen Mogk: Sitten und Gebräuche im Kreislauf des Jahres. 
grund getreten, aber die jungen grünen Pflanzen selbst, namentlich Rapunzeln, 
erscheinen auch heute noch am grünen Donnerstag auf dem Tische vieler 
Familien. Eine weitere Rolle spielen in der Osterzeit, und besonders am 
grünen Donnerstage, die Ostereier. An ihnen können wir so recht beobachten, 
wie sich der lebendige Glaube durch die symbolische Handlung in die Sitte 
flüchtet, diese aber im Laufe der Zeiten ganz verflacht. Während es in 
früheren Jahrhunderten Pflicht der Männer war, im Frühjahre vor Beginn 
der Feldarbeit Eier zu genießen und die Schalen aufs Feld zu streuen, um 
dies durch solche symbolische Handlungen fruchtbar zu machen, sind heute die 
Frühjahrseier nur die Freude und Sehnsucht der Kinder in der Osterzeit, 
die draußen im Grase oder auf den Beeten des Gartens gesucht werden 
und von denen die alte Sage geht, daß sie der Osterhase gelegt habe. 
In den Städten aber hat sich die Spekulation der Ostereier bemächtigt: 
das Symbol des neuerwachenden Lebens liegt aus Chokolade und Zucker 
in den Fenstern des Konditors, gehütet vom Osterhäschen aus Marzipan. 
— Es ist viel über den Ursprung der Ostereier geschrieben worden. Man 
hat auch in ihnen alte Opfer finden wollen, die bald diesem, bald jenem 
Gotte gegolten hätten. Für solche Annahme fehlt jeder Beweis. Das 
eine nur ist Thatsache, daß die Sitte, Ostereier zu essen, sehr alt ist 
und sich schon im frühen Mittelalter nachweisen läßt. Aber auch damals 
war sie weiter nichts, als was sie noch in diesem Jahrhunderte ist: eine 
symbolische Handlung, durch welche die Fruchtbarkeit der Felder oder der 
Geschöpfe geweckt werden sollte. — In Anlehnung an die Sitten, die sich um 
die Ostereier gebildet haben, sei das in manchen Gegenden Sachsens, besonders 
im oberen Vogtlande (in Markneukirchen, Adorf, Klingenthal), gebräuchliche 
Kinderspiel „das Eierhärten“ erwähnt, das sich auch in anderen Ländern 
Deutschlands nachweisen läßt. Die Knaben sammeln schon Wochen vor Ostern 
harte Eier mit möglichst festen, starken Schalen. Erscheint nun Ostern, so ver- 
sammelt sich die ganze Jugend auf dem Markte, und das Härten beginnt. Je 
zwei Buben schlagen entweder sowohl mit der Spitze als mit der untern Seite 
der Eier oder nur mit der oberen und unteren Spitze zusammen. Derjenige, 
dessen Ei zerbricht, hat verloren. Zuweilen kommt es vor, daß einer das 
Ei mit Pech ausgegossen hat. Wird dies entdeckt, so werden ihm unter all- 
gemeinem Jubel schlechte Eier auf den Rücken geworfen, und er wird vom 
Platze verjagt. Dies harmlose Spiel, das einst sehr verbreitet war, ist heute 
fast ganz verdrängt: die frohe Jugend hat der Polizei zu viel Lärm gemacht. 
Eine dritte wichtige Ostersitte ist der Schlag mit der Lebensrute. Sobald 
die Bäume und Sträucher ihr erstes Grün zeigten, wurden einst frische Zweige 
gepflückt und mit diesen Mädchen, Frauen und weibliche Tiere geschlagen. 
Durch diese Streiche teilt die Rute dem lebenden Wesen ihre sprossende Kraft 
mit, und Menschen und Tiere werden infolgedessen selbst fruchtbar. Mit
	        
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