308 Eugen Mogt: Sitten und Gebräuche im Kreislauf des Jahres.
von ihnen das Osterreiten und Ostersingen zurück, und dies hat sich, wie
schon bemerkt, noch bis heute hier und da erhalten. Am Ostersonntage, vor
Sonnenaufgang oder nach dem Nachmittagsgottesdienste, versammelt sich die
männliche Jugend des Dorfes zu Rosse; es sind die Saatreiter, wie sie
in der Lausitz heißen. Der Sammelplatz ist meist vor der Kirche, und
von hier aus geht es unter Musik und Gesang durch die Straßen des Orts.
Aus den Häusern erhalten bei diesem Umzuge die Reiter Spenden: Kuchen,
Bier, Schnaps u. dgl. — Noch verblaßter sind die alten Osterflurumzüge
in den Städten: hier hat sich nur das Ostersingen erhalten. Es ziehen die
Chorschüler am Charfreitag oder Ostermorgen unter Gesang durch die Straßen
und erhalten Geldspenden. Aber auch diese Sitte, die noch vor 20, 30 Jahren
ziemlich verbreitet war, schwindet jetzt immer mehr. .
Während unser Volk in seinen Sitten und Bräuchen zu Ostern das
Erwachen neuen Lebens in der Natur begrüßt und dies durch symbolische
Handlungen auf Menschen- und Tierwelt überträgt, ist ihm Pfingsten ein
Fest reiner Freude über das neue Leben in der Natur, über den Einzug
des Sommers. Der Deutsche hängt mit allen Fasern seines Wesens an der
freien Natur, die ihn umgiebt, und die alte Abscheu vor einschließenden
Mauern, die bereits Tacitus hervorhebt, ist ihm auch heute noch eigen. Der
Winter, der ihn an Haus und Stube bannt, ist ihm verhaßt, und fröhlichen
Herzens jubelt er der Zeit des Maien entgegen, wo die Arbeit im Freien
wieder aufgenommen werden kann, wo unter dem Geäst des deutschen Waldes
das Leben neu pulsiert. Das ist die Zeit, die die Dichter des Mittelalters
als die schönste des Jahres begrüßen, neben der ein Walther von der Vogel-
weide nur die Tage junger Liebe gelten läßt. Den Eintritt solcher Wonne-
zeit konnte ein Volk wie das deutsche, das alle wichtigen Ereignisse im Leben
durch Handlung und Poesie auszeichnet, nicht ohne Sang und Klang vor-
übergehen lassen, und so entstand das Maienfest, dessen Grundton durch die
Jahrhunderte der gleiche geblieben ist, wenn auch die Feier sich zeitlich und örtlich
geändert hat. Auch bei ihm hat die Kirche ihre Hand im Spiele gehabt: unter
ihrem Einflusse sind die alten volkstümlichen Maiensitten auf das Pfingstfest
verlegt worden, das ja, wenigstens überwiegend, in den Mai fällt. Leider haben,
wie bei anderen alten Volksfesten, auch am Maienfeste Zeit und Verhältnisse
genagt, so daß sie, wie bei uns in Sachsen, heute nur noch einen blassen Schim-
mer alter, lebensvoller Sitte haben. Wohl prangt noch ziemlich allgemein
am Pfingstmorgen in Stadt und Land die Pfingstmaie, aber das Hereinholen
des Baumes aus dem nahen Walde und die ausgelassene Freude, die sich
an diese Handlung knüpfte, sind längst vergessen. Und auch der weitere
Brauch, daß die Burschen ihren Mädchen am Pfingstmorgen eine Maie setzen,
ein Brauch der noch vor ungefähr 50 Jahren im Vogtlande blühte, ist heute fast
überall geschwunden zu sein. Der Einzug des Pfingst= und Maikönigs aber,