Full text: Sächsische Volkskunde.

310 Eugen Mogk: Sitten und Gebräuche im Kreislauf des Jahres. 
dem 13. Jahrhundert in den Urkunden erwähnt werden. Auch das Einholen 
des Maibaumes war ein Fest. Man zog hinaus in den Wald, um den Mai 
zu suchen (majum qunerere), brachte junge Bäume, besonders Tannen und 
Birken, nach dem Ort und pflanzte sie vor den Thüren der Häuser oder der 
Ställe oder in den Stuben auf. Burschen errichteten solche Maibäume, wie 
schon erwähnt, vor der Kammer ihres Mädchens. Außer diesen Hausmaien 
wurde in der Mitte des Dorfes oder auf dem Markte der Stadt ein großer 
Maibaum oder die Maistange aufgepflanzt, die man ebenfalls in feierlicher 
Prozession nach dem Orte gebracht hatte. Die ganze Gemeinde hatte sie 
ausgewählt und bewachte sie sorgfältigst. Meist war der Baum seiner Zweige 
und Blätter entblößt; ihm war nichts als die Krone geblieben, und hier 
prangten neben bunten Bändern allerlei eßbare Dinge wie Würste, Kuchen, 
Eier, auch bunte Tücher und dgl. Die Jugend mühte sich ab, diese zu erlangen. 
In der Kletterstange, die wir noch auf unseren Schützenfesten finden, lebt dieser 
alte Maibaum fort. Nicht selten fand nach diesem Maibaume ein Wettlauf 
oder Wettritt statt, eine Pfingstbelustigung, die sich im Laufe der Zeit von 
ihrem Ziele losgemacht hat und in vielen Gegenden Deutschlands als volks- 
tümliche Sitte noch heute erscheint. In den großen Städten unseres Landes 
ist diese Sitte zum Sport aufgeputzt worden, denn unsere Frühjahrsrennen 
sind in ihrer Wurzel nichts anderes, als die altdeutschen Wettritte, bei denen 
der Sieger eine Spende aus der Hand eines Mädchens erhielt (in der Regel 
ein rotes Tuch), während der letzte Reiter Spott und Hohn von der ver- 
sammelten Gemeinde erntete. 
Ende Juni hat die Sonne ihren Höhepunkt erreicht. Draußen stehen 
die Saaten und gehen der Reife entgegen und auf den Feldern weiden die 
Herden. Und noch wie heute an diesen Tagen der Landmann oft klopfenden 
Herzens nach dem Himmel schaut, so hat er es auch in früherer Zeit gethan. 
Vom Himmel, vom Wetter ist seine Hoffnung abhängig. Hat doch die Er- 
fahrung gelehrt, daß gerade im Hochsommer Gewitterregen und Hagel, die 
die Saaten vernichten, am häufigsten sind, daß gerade in diesen Wochen öfter 
Seuchen unter Menschen und Vieh ausbrechen. Nach altem Glauben des 
Volkes aber verpesteten die bösen Geister, Drachen und Hexen, die Luft und 
erzeugten so Seuchen und brachten Unwetter. Es galt daher diese zu bannen, 
sie fern zu halten. Eine alte Erfahrung hatte das Volk gelehrt, wie das 
am besten geschehen könne. Schon früher hatte man die luftreinigende Kraft 
des Feuers erkannt. Finden wir doch heute noch im Volke vielfach die Sitte, 
in Krankenzimmern Feuer zu entfachen, um die Luft zu reinigen und An- 
steckungen dadurch zu verhüten. Diese Beobachtung der reinigenden Kraft des 
Feuers hat in vorgeschichtlicher Zeit bei unseren Vorfahren die sogenannten Not- 
feuer veranlaßt, d. h. Feuer, die durch niuwan „reiben“ entzündet wurden, Feuer, 
die bereits im 8. und 9. Jahrhundert in den Quellen belegt sind und die sich
	        
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