Full text: Sächsische Volkskunde.

330 Eugen Mogk: Aberglaube und Volksmythen. 
ihrem Zuge begleiten, sind in anderen deutschen Gauen die Perchten und 
Holden oder Hollen, und das sind weiter nichts als Scharen seelischer Wesen. 
Schon ihrem Namen nach sind sie die „Verborgenen, Unterirdischen“, denn 
Holde geht zurück auf altes „helan“ (vergl. verhelen), Perchta auf „bergan“, 
dies wie jenes Wort aber bedeutet „verbergen“. So sind die Worte Perchten 
und Holden ursprünglich Gattungsnamen für die Geister; durch das Kollektivum 
haben sie sich zum Eigennamen entwickelt, und so ist aus den Perchten 
eine Perchta, aus den Holden eine Frau Holde oder Holle entstanden, die 
nun natürlich die Führerin der Geisterschar ist. 
Bestand in dem Volke der Glaube, daß die Seelen der Gestorbenen im 
Winde fortlebe, so bedingte dieser einen weiteren Kreis von Vorstellungen. 
Nicht immer trieben diese in der Luft ihr Wesen; wie die Menschen bedurften 
auch sie der Ruhe, fester Aufenthaltsorte. Und so entstand die Frage: wo 
weilen die Geister, wenn sie ruhen? Auch diese Frage hat unser Volk seit 
ältester Zeit in gleicher Weise beantwortet: sie weilen vor allem in Bergen 
und Gewässern, daneben aber auch in den Bäumen der Wälder und auf 
Feld und Flur, wo sie durch das Wogen der Halme und durch die auf- 
steigenden Nebel Zeugnis ihrer Existenz geben. Die Sagen von Geistern, 
die in Bergen wohnen, sind in Sachsen ziemlich verbreitet. Im Erzgebirge 
weilen in einer großen Anzahl Berge Berggeister, von denen sich das Volk 
die wunderlichsten Dinge erzählt: in einem Berge bei Stolpen wohnt die 
Gräfin Kosel; der Berndietrich in der Lausitz kehrt zuweilen im Venusberge 
bei Ostritz ein; der wilde Ruprecht hat sein Schloß im Hutberge bei Herrn- 
hut; im Kohlenberge bei Zwickau treibt der Katzenveit sein Wesen und spielt 
von hier aus den Umwohnern mit wie Rübezahl im Riesengebirge. Alle diese 
Sagen werden uns erst verständlich, wenn wir unseren Blick in vergangene 
Zeiten wenden. Damals bestand unter unseren Vorfahren der lebendige 
Glaube, daß sie nach dem Tode in diesen oder jenen Berg fahren und dort 
weiter leben würden. Im Hinblick auf diesen Glauben werden uns die Opfer 
verständlich, die die alten Germanen supra petras faciebant (an Felsen darzu- 
bringen pflegten), und gegen die Bußordnungen, Konzilien und die Kapitulare 
der Kaiser immer und immer wieder eifern. In dem Glauben vom Fortleben 
der Seele im Berge haben auch die in ganz Deutschland verbreiteten Kaiser- 
sagen ihre Wurzel, nach denen dieser oder jener Kaiser — bald ist es Friedrich 
Barbarossa, bald Friedrich II., bald Karl der Große, bald Karl V., bald Otto 
der Große — in dem einen oder andern Berge fortleben soll. Daß man 
auch hier nicht an verblaßte Wodansmythen zu denken braucht, wie so oft 
geschieht, oder gar an ein Wandermotiv, wonach die Kaisersage keltischen 
Ursprungs sein soll, lehrt wieder die einfache Thatsache, daß wir dieselbe 
Form der Sage im alten Griechenland ebenso wie bei den Ureinwohnern 
Mexikos finden. Wie bei den Völkern dieser Länder wurzeln sie auch bei uns
	        
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