Full text: Sächsische Volkskunde.

340 Johannes Walther: Sprache und Volksdichtung der Wenden. 
jeho, dat. jemu, so sagt man im westlichen Dialekt joho, jomo. In 
letzterem bildet man mit Vorliebe den nom. plur. der Substantive ration. 
masc. gen. auf owje; nanowje die Bäter, knjexowje die Herren, während 
die Schriftsprache nanojo, knjezojo hat. 
Die sorbische Sprache bedient sich 35 Schriftzeichen, um ihre vokalischen 
und konsonantischen Laute und Erweichungen wiederzugeben; es fehlen ihr 
f und q; das Plus gegenüber den deutschen Schriftzeichen wird in der 
Schreibweise durch diakritische Zeichen über den Buchstaben hergestellt. Dem 
Deutschen fremd sind die Vokale &, 6, 7; die Konsonanten &, C, d, l, 
t, 8, z und z. Jeder Konsonant kann entweder hart oder weich sein, was 
für die Flexion von größter Wichtigkeit ist. Auf die außerordentlich genauen 
und fein ausgebildeten Lautgesetze der Vokale und Konsonanten hier ein- 
zugehen, ist begreiflicher Weise unmöglich, es sei hierfür auf die Laut= und 
Formenlehre des Obersorbischen von Prof. Pfuhl und auf die niedersorbische 
historische und vergleichende Laut= und Formenlehre von Dr. Mucke (1891) 
hingewiesen. « 
Zur Deklination des artikellosen Nomens sei bemerkt, daß im Sorbischen 
eine zwiefache Deklination unterschieden wird, eine nominale, welcher die 
Substantiva folgen und eine pronominale, zu welcher die Pronomina und 
Adjektiva gehören. In der nominalen Deklination werden zwei verschiedene 
Deklinations-Weisen unterschieden, die der Maskulina und Neutra, schlechthin 
1. Deklination genannt, und die der Feminina, die 2. Deklination. Je nach 
der Härte oder Weichheit des Stammkonsonanten hat jede Deklination zwei 
Unterabteilungen; demnach ergiebt sich folgendes Schema: 1. Deklination der 
Maskulina und Neutra a) mit hartem, b) mit weichem Stammcharakter; 
2. Deklination der Feminina a) mit hartem, b) mit weichem Stammcharakter. 
Die Deklination unterscheidet sieben Kasus: Nominativus, Genitivus, Accusa- 
tivus, Dativus, Instrumentalis oder Soziativus, Lokativus und Vokativus; 
sie weist drei Numeri auf: Singularis, Dualis, Pluralis, wobei im Dualis, 
von dem die Volkssprache beständigen und genauen Gebrauch macht, drei 
verschiedene Kasusformen vorkommen, eine für Nominativus, Accusativus 
und Vokativus, die zweite für den Genitivus, die dritte für Dativus, Instru- 
mentalis und Lokativus. Zur gesamten 1. Deklination ist zu bemerken, daß 
im Wendischen zwischen dreierlei Wesen streng unterschieden wird: zwischen 
unbelebten Wesen — inanimata —, belebten, vernunftlosen Wesen — ani- 
mata — und vernunftbegabten — rationalia —. Die ersteren, also die 
Dingbezeichnungen, bilden den Accusativus wie den Nominativus; die ani- 
mata, also die Tiere, nehmen im Singularis und Dualis, nicht im Pluralis, 
die Form des Genitivus für den Accusativus, während bei den vernunft- 
begabten Wesen in allen Numeris der Genitivus für den Accusativus ein- 
getreten ist. Zu dem, dem Deutschen im allgemeinen fremden, Lokativus sei
	        
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