Full text: Sächsische Volkskunde.

  
14. Volkssitte, Brauch und Aberglaube 
bei den Wenden. 
Von M. Rentsch. 
  
e mehr in unserer alles gleichmachenden Zeit die Eigentümlichkeiten 
der Volksstämme verschwinden, desto lieber wendet sich der Blick des Forschers 
in jene stillen Gegenden, die noch wenig vom Verkehr berührt sich ihre 
Besonderheiten zu wahren gewußt haben. Wer an einem Markttage in 
Bautzen, der ehrwürdigen Hauptstadt des oberlausitzer Wendentums, geweilt 
hat, dem sind sicher die kernfesten, gesunden Gestalten der wendischen Bauern 
und Bäuerinnen aufgefallen: Männer in langen, blauen mit versilberten 
Knöpfen besetzten Röcken, in grauen Leinwandhosen und in langen Stiefeln, 
die Frauen im schwarzen Sammetmieder, in blauen, ebenfalls mit silbernen 
großen und kleinen Knöpfen besetzten Jacken, die Stirn mit roten, grünen 
oder bei Trauer mit weißen schmalen Binden geschmückt, in ihren kurzen 
roten oder grünen. Röcken, weiß-grauen Strümpfen, oder auch in Hauben 
von weißer, streifiger Leinewand, die oft von Spitzen eingefaßt sind, oder 
auch in bunten oder schwarzen Kopftüchern, die bei den katholischen Frauen 
eine besonders ansehnliche Größe haben. 
Das sind die Bewohner der weiten Heidestrecken an der sächsisch-preußischen 
Grenze, welche mit ihren landwirtschaftlichen Erzeugnissen, mit Waldbeeren 
und Pilzen, mit aus geschälten Kiefernwurzeln geflochtenen Körben, oder, 
wie die Söhne Nochtens, mit Holzkohlen zu den ständigen Besuchern der 
Bautzener Märkte gehören und in ihrer Erscheinung ein besonderes Charakte- 
ristikum derselben bilden. Während der wohlhabende wendische Bauer in der 
fruchtbaren Bautzener Pflege mehr und mehr die Sitten und Gebräuche der 
Bäter abgestreift hat, haben sich dieselben in den einsamen und abgelegenen 
Erdenwinkeln der Heide mit ihren weiten Sandstrecken und großen Teichen 
bis heute wohl erhalten; freilich dringen jetzt auch dahin die verallgemeinerte 
deutsche Schulbildung und die Eisenbahnen, und in ihrem Gefolge Fabriken, 
größere gewerbliche Anlagen, gehobener Verkehr, alles Faktoren, die zu ver- 
nichten drohen, was an besonderer Eigenart aus früherer Zeit geblieben ist.
	        
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