Full text: Sächsische Volkskunde.

360 M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden. 
wofür sie mit Kuchen und Getränken oder Geld belohnt wird. In 
der Osternacht, ja auch noch am 1. Osterfeiertage wird viel gelärmt, 
besonders geschossen, als Zeichen der Freude, daß Christus den Tod be- 
zwungen hat; am Ostermorgen vor Sonnenaufgang holt man aus dem 
fließenden Gewässer unter völligem Stillschweigen Wasser, das Osterwasser, 
welches nie fault und besondere Kraft haben soll, daher sich mit ihm die 
Hausbewohner gegenseitig begießen und in ihm waschen. An Ostern be- 
schenkt man sich in der ganzen Wendei mit buntbemalten Ostereiern. In der 
Bemalung derselben giebt man sich alle erdenkliche Mühe und bringt oft kleine 
Kunstwerke dabei fertig. Bemerkt sei aber, daß der Wende den „Osterhasen“ 
nicht kennt. — Eine schöne Sitte ist das Osterreiten der katholischen Bauern. 
Ein wichtiger Tag ist der Gründonnerstag. An ihm werden die 
Patenkinder mit Geschenken bedacht. Auch ziehen die Kinder im Dorfe 
umher und bitten: „Gebt uns einen Gründonnerstag“, worauf sie meist 
kleine Pfefferkuchen u. a. erhalten. Gern ißt man Honig an diesem Tage, 
besonders in manchen Orten der nördlichen Lausitz Honigsemmeln; ein Brauch, 
welcher sich auch bei den Czechen findet. 
Eine ganz eigene Sitte übten die Wenden am Sonntage Lätare, dem 
slawischen Totensonntage, aus: das Todaustreiben oder Todaustragen. Eine 
Strohpuppe wurde im Dorfe herumgetragen, begleitet von Fackelträgern und 
unter dem Gesange: „Den Tod haben wir ausgetrieben, den Sommer 
bringen wir wieder“". Nach mehrfachen Umgängen warf man den Stroh- 
mann vor dem Dorfe ins Wasser. Ob dieser Brauch heute noch irgendwo 
unter den Wenden besteht, ist mir nicht bekannt; jedenfalls aber war es 
eine uralte Sitte, die noch um das Jahr 1840 hier und da geübt wurde. 
Ursprünglich aus heidnisch-religiösen Vorstellungen entsprossen, wurde der 
Brauch zu einem Naturfest, zur Frühlingsfeier. 
Es scheint mir aber, daß diese alte Sitte sich, wenn auch in abge- 
schwächter und verwischter Form, doch noch erhalten hat. Wer nämlich den 
letzten Schlag beim Ausdreschen thut, von dem heißt es: wön je stareho bil, er 
hat den Alten geschlagen. Dann fertigt man eine Strohpuppe, und der Drescher, 
welcher den letzten Schlag that, muß die Puppe weiter tragen und irgendwo 
einem Nachbar, der noch nicht ausgedroschen hat, unbemerkt über den Zaun werfen. 
Man nennt den letzten Schlag beim Dreschen sehr häufig auch: kapona 
bic, d. h. den Hahn schlagen..) Bedenkt man nun, daß der Hahn der 
Vogel des Lichtgottes Swantewit war, so haben wir auch hier Reminiscenzen, 
freilich unklarer Art, aus heidnischer Zeit vor uns. — Wo sich übrigens 
unter den Deutschen die Sitte des Todaustreibens findet, wie z. B. im 
Vogtland, ist dieselbe meiner Ansicht nach daselbst aus der flawischen Zeit 
  
*) In früheren Zeiten versteckte der Hausvater in einer der letzten Garben einen Hahn.
	        
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