Full text: Sächsische Volkskunde.

M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden. 365 
und zieht in das Haus der Braut, unterwegs jubelnd und singend. Wohnt 
die Braut in einem anderen Orte, so sendet man zwei Abgesandte an den 
Dorfrichter und läßt fragen, ob es fremden Männern erlaubt sei ins Dorf 
zu kommen. Der Richter antwortet: ja, wenn sie ehrliche, brave Leute seien, 
möchten aber der alten Leute und der Kinder schonen. Doch kommt man 
nicht so schnell ins Dorf hinein: bunte Bänder werden vorgeschnürt, Stangen 
vorgehalten und diese Hindernisse müssen mit Geld und Getränken ausgelöst 
werden. Am Hause der Braut ist der Hof offen, aber Thür und Fenster 
im Hause sind geschlossen. Der braska klopft bescheiden an, nichts rührt 
sich, er klopft stärker und stärker, bis endlich der Brautvater erscheint und 
fragt, was man wolle. Und nun hält der braska eine Werbung um die 
Braut. Nachdem man ihn eine Weile hingehalten hat, geht man scheinbar 
auf seinen Wunsch ein und bringt ihm eine ältere Frau statt der gewünschten 
Braut. Er betrachtet sie von allen Seiten und erklärt: „das ist nicht die 
rechte". Dasselbe Spiel wiederholt sich mit einem älteren Mädchen, einem 
Schulmädchen u. s. w., bis endlich der Vater die Braut im vollen Staate 
herbeiführt. Nach längerer, wohlgesetzter Rede, die der braska an die Braut 
und deren Eltern hält, hinweisend auf die Pflichten und Beschwerden der 
Braut als zukünftigen Hausfrau, verabschiedet er die Braut von den Eltern 
und Angehörigen, ähnlich wie vorher beim Bräutigam. Endlich setzt man 
sich in die bereitstehenden Wagen. Sämtliche Kutscher haben bunte Tücher 
im Knopfloch und Sträuße an den Hüten, die Pferde sind mit Schellen um 
den Hals, mit Blumen und Sträußen geziert. Jeder Wagen setzt eine Ehre 
darein, möglichst schnell zu fahren. Auch springen vor den Wagen schnelle 
Läufer hin und her. 
Vor der Kirche angekommen, stellt man sich zum feierlichen Zuge auf. 
Die Spitze bildet der braska mit seinem großen Stabe in der Hand, nach 
ihm kommt die Braut, geleitet von ihren Ehrendienern, swataj genannt (an 
manchen Orten führt der braska die Braut an der Hand), nach diesen 
kommt die slönka, hierauf die zwei Brautjungfern, druzki, nun der Bräuti- 
gam, nach ihm seine slönka, dann seine zwei Züchtjungfern, hierauf die jungen 
Burschen und sonst Geladenen. In Hoyerswerda bleiben die sämtlichen Ge- 
ladenen vor der Kirche stehen, nur Braut und Bräutigam und zwei Zeugen 
gehen hinein.“) 
Nach der Trauung fährt man im schnellsten Tempo unter Juchzen und 
Singen, unter dem Losschießen von Pistolen und Flinten heim ins Braut- 
haus, wo die Hochzeitstafel angerichtet ist. Braut und Bräutigam sitzen zu 
beiden Seiten der Tischecke, im Brautwinkel (njewjescinski kut); rechts vom 
*) Bezüglich der Trachten sei verwiesen auf das Werk „Sächsische Volkstrachten und 
Bauernhäuser". Dresden 1897, und auf die farbigen Tafeln am Schlusse dieses Werkes. 
 
	        
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