Full text: Sächsische Volkskunde.

M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden. 367 
Der Sinn, der in dieser Sitte liegt, ist: mit Widerstreben scheidet 
die Braut aus ihrem Mädchenstand; aber da sie doch nun den Schritt thun 
muß, so springt sie entschlossen in das neue Leben als Hausfrau hinein. 
An reichlichem Essen und Trinken läßt man es nicht fehlen, wenngleich 
sich die Gäste dazu nötigen lassen, denn das erfordert die gute Sitte und 
Höflichkeit; besonders anfangs langt man scheinbar sehr zaghaft zu und 
braska und Brauteltern müssen sehr zureden. 
Die ceremonielle Höflichkeit der wendischen Bauern, deren Tische vielleicht 
nur auf festgetretenem Lehmboden stehen, ist in ihrer Art, wenn auch um- 
ständlicher, doch nicht geringer als die der feinsten Gesellschaft, welche unter 
Kronleuchtern speist und auf glattem Parkett sich bewegt. 
Was man nicht aufessen kann, wird nach jedem Gang von den Gästen 
in mitgebrachte Töpfe gethan und nach Hause geschickt. Natürlich wird 
infolgedessen viel verbraucht, und die Gäste erweisen sich erkenntlich, indem 
sie dem jungen Paar einen reichen sklad (eigenes Wort dafür; soviel als 
„Auflage, Hingabe") auf den Teller legen; ein geladenes Ehepaar giebt bei 
größeren Hochzeiten 10 Thaler und noch mehr. Eine mittlere Hochzeit dauert 
mindestens 2 Tage, eine größere 3—4 Tage. Am Sonntag darauf findet 
im Hause der jungen Eheleute die „junge Hochzeit“ statt, woran sich sämtliche 
Gäste beteiligen. Auch hier fehlt es nicht an guten Wünschen, Ein= und 
Aussegnungen durch den braska, am Singen von Liedern u. s. w. Die junge 
Frau trägt einen Teller mit Fleisch und Brot in das Haus der ärmsten 
Familie am Orte. 
Bei allen diesen Feierlichkeiten müssen Braut und Bräutigam eine 
festlich--ehrbare Haltung bewahren, während die Gäste desto ausgelassenerer 
Heiterkeit huldigen, allerdings letzteres auch nicht allzusehr am ersten Tage, 
wo die Trauung stattfand; erst die folgenden Tage geben dazu freien Raum. 
e) Tod und Begräbnis. 
Liegt jemand im Sterben, so sagt man: dusa cehnje, die Seele zieht; 
man öffnet die Fenster, damit sie hinaus kann; die Anwesenden knieen nieder 
zum Gebet. In einigen Orten liest man während des Sterbens ein Gesang- 
buchslied vor, welches der Prediger dann bei der memoria defunctorum 
(uuch eine eigene Sitte im Wendenlande: die Namen des Verstorbenen werden 
ein Jahr lang von der Kanzel aus verlesen) im Hinblick auf den Verstorbenen 
verliest. , 
Nach dem erfolgten Hinscheiden bettet man den Toten auf frisches Stroh, 
die Angehörigen ziehen sofort die schwarze Trauerkleidung an und die Frauen 
erscheinen bei der Meldung auf dem Pfarramt mit der weißen Stirnbinde 
(in Schleife melden stets zwei Personen). Ist ein Bienenvater gestorben, so 
meldet man den Tod bei den Bienenstöcken mit den Worten; pêolki stawajce, 
was hospodaft je so minyl: Bienchen steht auf, euer Wirt ist verschieden!
	        
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