368 M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden.
Bei den jetzigen Wenden liegt diesem Brauch wohl die Vorstellung zu Grunde:
die Bienen gehören zu den Hausgenossen, ebenso wie das Vieh im Stalle,
denn der Wende liebt die Haustiere. Daher geht in der Stunde des Begräb-
nisses ein Dienstbote in den Stall und sagt unter Darreichung von Futter
den Pferden an: „jetzt wird euer Herr hinausgetragen". Mit Bienen und
Pferden beschäftigte sich der Hausherr am meisten, sie standen ihm nahe.
Während die Leiche im Hause liegt, wird alle größere und Geräusch
verursachende Arbeit vermieden: es wird nicht gedroschen, noch Holz gehackt,
noch Dünger gefahren u. a. m. Des Abends kommen die Nachbarn und
Freunde in das Trauerhaus und veranstalten den pusty wjesor, den leeren,
einsamen, stillen Abend. Man singt bis in die Nacht hinein Sterbelieder,
liest aus der Bibel vor und daneben liegt die Leiche auf der blanken Bank,
mit Linnen zugedeckt. Manchmal wacht man die ganze Nacht an der Leiche
und läßt Lichter brennen. In den Sarg legt man dem Toten wohl auch
Kamm, Seife, Schnupftabaksdose, auch Bibel und Gesangbuch, kurz Sachen,
die er im täglichen Gebrauch hatte. Ist jemand im Hause leidend, besonders
an Krämpfen, so „giebt man die Krankheit dem Toten mit in den Sarg“, in
den man ein Kleidungsstück, mit Vorliebe ein Hemd des Kranken hineinlegt,
das soll zur Gesundung helfen. Doch muß der etwa eingestickte Name aus-
geschnitten werden, sonst zieht der Tote den Kranken nach.
Die Einladung zum Begräbnis besorgt die Leichenfrau, welche mit Geld,
mit Gaben an Flachs und Brot u. a. entschädigt wird.
Ist die Leiche aus dem Hause heraus, so werden die Schemel, auf denen
der Sarg stand, umgekehrt (der Tote könnte wiederkommen und sich darauf
setzen!), das Stroh, auf dem der Tote lag, wird verbrannt; die Bank, auf
der die Leiche lag, wird aus dem Hause getragen; in der Niederlausitz läßt
man die Leiter des Wagens, auf welchem man den Toten zum Kirchhof
fährt, bei der Rückkehr an der Dorfgrenze liegen, hält dabei still und betet
ein Vaterunser. Die Leiter hat dort zu verfaulen.
Von der Vernichtung dieser dem Toten zuletzt nahe gewesenen Sachen
wird dessen Ruhe abhängig gemacht; kehrt er aber doch zurück, so würde er
an der Dorfgrenze aufgehalten werden. Die Kleidungsstücke des Toten, von
denen manches die Leichenfrau erhält, läßt man 4 Wochen unberührt; wer
sie früher in Gebrauch nimmt, verursacht dem Toten Unruhe und wird von
dessen Geiste beunruhigt.
Die Trauerkleidung der Leidtragenden ist sehr verschiedenartig. Die
Männer tragen Cylinder, welche sie hier und da beim Trauergottesdienste in
der Kirche nicht absetzen; die Frauen zeichnen sich aus durch das schon er-
wähnte Stirnband (nach der Gegend verschieden benannt: sleyjertkn,
strynska, skröncusk, bindka, nacolko u. s. w.) und durch einen weißen
lberwurf. Letzterer ist nach dem Grade der Trauer verschieden: es giebt