Full text: Sächsische Volkskunde.

376 M. Rentsch: Volkssitte, Brauch und Aberglaube bei den Wenden. 
wurde zur Hausschlange, zum Hausgeiste, der rotes Gold oder anderes Gut 
dem Menschen zuträgt. 
Ein rätselhaftes, mythisches Wesen ist das Boze sedlesko oder die 
Bozta losé. Während der erstere Name eine genügende Erklärung noch 
nicht gefunden hat, ist man jetzt über den zweiten soweit klar, daß er eine 
Verunstaltung des Wortes hlös, glos, Stimme, ist, also bo losc — Gottes 
Stimme.“) Sie zeigt sich in der Gestalt eines schönen, weißgekleideten Kindes, 
hat langes, aufgelöstes Haar und ist mit einem kurzen, reinen Hemdchen 
bekleidet. Die Erscheinung zeigt sich nur Leuten, die Sonntags oder in der 
letzten Nacht des Jahres geboren sind, oder welche die Leichenfrau anstatt der 
vielleicht verhinderten Hebamme zur Welt gebracht hat. Meist aber sieht 
man die Boka Tlosc überhaupt nicht, sondern hört nur ihr Weinen und Weh- 
klagen. Wo sie sich aber zeigt und wo man ihr Jammern hört, dort geschieht 
bald ein Unglück. Der Charakter dieses Wesens ist ein guter: es warnt vor 
der nahenden, drohenden Gefahr, es klagt über der Menschen Leiden, doch 
niemals ist es selbst Ursache des Unglücks und Leids. Gelegenheiten, bei 
denen die Gottes Klage kommt, sind besonders eintretende Todesfälle, Seuchen, 
Feuersgefahr, Viehsterben u. a. m. Die Boka losc klagt auch da, wo das 
Opfer eines Verbrechens begraben liegt. Sie kommt in der Nacht, seltener 
am Tage. Wird sie gefragt, so giebt sie Antwort, doch ist dieselbe unklar, 
dunkel. Ihre Wohnstätte hat sie im Hause und zwar in der Nähe des Ofens, 
oder im Ofen selbst, am Feuerherd. 
Daß gerade der Ofen als Heimstätte dieses Wesens, wie auch schon der 
Kubolciki und der Hausschlange gilt, ist ein Beweis dafür, daß auch die 
„Gottes Stimme"“, (bezüglich Gottes Klage) für einen Hausgeist gehalten 
wird, denn bei allen indoeuropäischen Völkern wird der Ofen in Verbindung 
mit den Vorstellungen über die Geister der abgeschiedenen Vorfahren gebracht. 
Hierzu noch eine Sage aus der Hoyerswerdaer Gegend. Eine Frau 
erzählte: 
* hatten in Michalken eine Magd, die kam frühmorgens und erzählte: „ ich habe 
heute Nacht ein Kind weinen hören'. Ich sagte zu ihr: „ach, da haben sich nur die 
Katzen gebissen!“ Sie meinte aber: „nein, Hausmutter, ich habe recht wohl das Kind 
weinen hören. Und seht, sie hatte einen blinden Bater, der ist in selbiger Nacht ver- 
brannt. Gott weiß, wie das zugegangen ist. Er hat wahrscheinlich Feuer anmachen 
wollen und dabei ist es geschehen, das haben wir erst nachträglich erfahren und wußten 
nun, daß das Mädchen die Boza losé gehört hat.“ 
Die lutki oder palêèiki, d. i. Zwerge, Däumlinge, sind kleine Wesen, 
doch dabei sehr stark. Sie haben rote (mitunter auch weiße) Kleidung, ein 
rotes Mützchen oder einen großen Hut, wohl auch Tressenkleidung. Eine 
Art derselben wohnt in der Erde und man zeigt auch die Löcher, wo sie 
*) Das Nähere siehe in der Zeitschrift der Makica serbska Heft 83, S. 3 ff. (1891), 
wo Prof. Cerny den Namen historisch-philologisch erklärt.
	        
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