386 Cornelius Gurlitt: Die Dorfkirche.
dörfliche Kirchen zu sehen. Manche — leider nicht eben viele — Aufschlüsse
bringen auch ältere Bücher. Sehr dankenswert sind meines Vorgängers als
Inventarisator, des verstorbenen Professors Dr. Steche, Aufzeichnungen in
den älteren Heften der „Beschreibenden Darstellung“", wenn er gleich aus
Mangel an Mitteln statt der Aufnahme und Darstellung der Grundrisse sich
meist auf einige beschreibende Anmerkungen beschränken mußte.
Mit Staunen sah ich wie außerordentlich groß der Reichtum namentlich
des sächsischen Niederlandes an romanischen Kirchen ist. Der romanische
Stil ist in Sachsen an kirch-
lichen Bauten der Städte und
Klöster bis in die Mitte des
13. Jahrhunderts nachweisbar,
in der letzten Zeit freilich schon
mehrfach vermischt mit gotischen
Formen, im sogenannten Über-
gangsstil. Immer mehr bricht
« sich die Erkenntnis Bahn, daß
Fig. 149. Kirche zu Altenbach (13. Jahrh.). (XIX. 4.) im 12. Jahrhundert die Kloster-
gemeinschaften, vor allem die Cisterzienser, Träger der baulichen Ent-
wicklung gewesen seien und daß durch diese das Land ihrer Heimat, ihres
Verwaltungsmittelpunktes, nämlich Burgund, zum Sitz der Entwicklung
wurde. Wie in
jüngster Zeit
der Franzose
Enlard und mit
ihm gleichzeitig
die Deutschen
Dehio und von
Bezold nach-
wiesen, daß die
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M|
Einführung
einer der nor-
Fig. 150. Kirche zu Klinga 13. Jahlh.). (XIX. 144.) dischen ver-
wandten Gotik
nach Italien fast allein das Werk der Cisterzienser war, wie Gleiches
inzwischen von Madrazo und mir hinsichtlich Spaniens erwiesen wurde, so
läßt sich auch nicht mehr aus nationalem Ehrgefühl an dem Gedanken fest-
halten, die Gotik sei ein deutscher oder gar der deutsche Stil. Freilich ist
sie auch nicht der französische Stil kurzweg. Wenigstens sind jene Anfänge,
die zur Ausbildung der Gotik in Paris und dessen Umgebung führten,
früher und am glänzendsten in Burgund geschaffen worden. Erst mit dem