Full text: Sächsische Volkskunde.

896 Cornelius Gurlitt: Die Dorftirche. 
ansehnliche Zahl, obgleich zu Anfang der Reformation und in der rationa- 
listischen Zeit viele von ihnen beseitigt wurden. 
Innerhalb des 15. Jahrhunderts entwickelte sich die Kunst zu immer 
freierer Gestaltung. Künstlerisch stehen die späteren Arbeiten zumeist höher 
als die älteren; solche aber, die an Alter über 1480 zurückgehen, sind schon 
große Seltenheiten. 
Neben den Altarschreinen giebt es in den Kirchen gelegentlich altes Gestühl 
(Fig. 160). Die leicht vertiefte Schnitzerei in diesem kann als bezeichnendes 
Merkmal gelten, obgleich sie nicht überall 
vorkommt. Solche Reste von Gestühlen 
sind schon recht selten: Nie sollte ein 
Geistlicher auch das ihm unscheinbar er- 
scheinende verzierte Brett den wandernden 
Händlern überlassen: gerade solche Schnitze- 
reien sind jetzt von den Sammlern und 
Museen hoch bezahlte Wertstücke. 
Totenleuchter sind ferner manchmal 
noch zu finden, lange Stangen, an deren 
obern Ende eine gotische, geschnitzte Blume 
Fig. 160. Chorgestühl aus der Kirche und ein Eisendorn für die Wachskerze 
zu Röcnib. (nsan 2#6 dahrhunderts) angebracht ist; sie dienten zum Umtragen 
« bei Begräbnissen. 
Dann sieht man hier und da noch holzgeschnitzte Kruzifixe, oft von 
Lebensgröße und größer. Man scheue sich nicht vor der Wucht, mit der die 
Schrecken des Todes geschildert sind: jene Zeit wollte das Mitgefühl mit 
derben Mitteln packen, sie wollte durch ergreifende Wahrheit die harten 
Seelen erschüttern. 
Dann gehören die schönen silbernen Kelche vielfach zum Bestande einer 
Dorfkirche. Manchmal konnte ich nachweisen, daß sie erst im 16. und 
17. Jahrhundert dorthin kamen. Mit der Reformation wurde der Reichtum 
der großen Kirchen an Altargerät zwecklos; um wenigstens die Kelche vor 
dem Einschmelzen zu retten, dem Monstranzen, Heiligtümer 2c. verfielen, 
begann man bald, diese an kleine Gemeinden für den Silberwert zu ver- 
kaufen. Den gotischen Kelch kennzeichnet der prächtige Knauf am Stiele mit 
seinen Roteln, der meist die Buchstaben IHESVS oder MARIA Mlater dei) 
trägt. Diese Form ist bis ins 18. Jahrhundert nachgeahmt worden, doch 
in immer geringerer Entschiedenheit der Profile. 
Zu den Kelchen gehören die Hostienteller (Patenen), auf denen in einem 
Kreis das Kreuz, oft auch eine segnende Hand eingeritzt erscheint. 
Außerordentlich reich ist die Zahl der Glocken des 15. Jahrhunderts. 
Manchmal bezog man solche von außen. Eine Glocke von 1452, die zu Zweenfurt 
  
 
	        
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