Full text: Sächsische Volkskunde.

O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 413 
vervollkommnete Werkzeuge und eine gewisse handwerksmäßige Schulung 
voraus. 
Die gebirgische Grundform. 
Eine zweite Grundform von Häusern, die sich für den Forscher aus 
den zahllosen Varianten herausschält, stellt seiner Erklärung größere Schwie- 
rigkeiten entgegen. Es sind das die sonderbaren, vorwiegend für Wohnzwecke 
dienenden, einhüftigen Gebäude mit ungleich weit herabreichendem Dache, im 
Profil fast an unsere Jahrmarktsbuden erinnernd, nicht selten auch mit ganz 
verschiedener Dachneigung an der Vorder= und Rückseite. Besonders häufig 
findet man sie im östlichen Teile unseres Erzgebirges, z. B. in Altenberg, 
Zinnwald, wahrscheinlich würde auch Freiberg noch in seinen ältesten Ge- 
bäuden Beispiele aufweisen können, vereinzelt kommen sie aber auch näher 
der Elbe, z. B. in Kaufbach (Fig. 170) vor. Das Charakteristische bei ihnen 
ist, wie schon bemerkt, die um ein Geschoß verschiedene Höhe der Traufe an 
der Vorder= und Rück- 
seite, außerdem zeigen sie 
aber auch die Neigung 
um einen Mittelpunkt zu 
gruppieren, anstatt Neben- 
gebäude zu errichten; so- 
wohl an den Lang= als 
Giebelseiten werden erd- 
geschoßbohe An-- und Aus- 
bauten angelehnt, welche 
entweder Nebenstuben 
(Auszüglerwohnung) oder Stall oder Schuppen enthalten und wenn irgend 
möglich mit unter das herabgezogene Haupt-(Schlepp-) Dach gebracht werden. 
Giebelanbauten erhalten ein quergelegtes Pultdach. Ich habe hierbei natür- 
lich nicht nachträgliche Anbauten, sondern solche Anlagen im Auge, die von 
Anfang an planmäßig in dieser Weise hergestellt worden sind. Als entscheiden- 
des Kennzeichen gilt dabei namentlich das Durchreichen der Sparren und der 
Wandrahmen in je einem Stück. Es wäre verfrüht, eine bestimmte Quelle 
für diese Bauweise angeben zu wollen; das Bestreben, alles unter einem 
Dache zu vereinigen, ist in der friesisch-sächsischen Bauweise sehr ausgeprägt, 
vielleicht könnte man aber auch an eine Einführung durch die Bergleute aus 
dem Harz (die bis zum Jahre 1180 zurück datiert) denken, denn es war 
jedenfalls ein rauhes Klima und ziemliche Dürftigkeit, die diese Bauart ge- 
schaffen haben, und fast möchte man als besondere Eigentümlichkeit den geflissent- 
lichen Verzicht auf jede schöne oder auch nur gefällige Wirkung bezeichnen. 
Als Probe auf die Vermutung des niedersächsischen Ursprungs könnte ein 
Vergleich mit den ältesten Bauwerken in Gossensaß (am Brenner) dienen, 
    
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