Full text: Sächsische Volkskunde.

O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 429 
Schau gestellt; in gottesfürchtigen Häusern finden außerdem Bibel und Ge— 
sangbuch oder Katechismus hier ihren Platz. Die Wahl dieses Ortes ist so 
stereotyp, daß man kaum fehl geht, wenn man sie mit der symbolischen oder 
religiösen Bedeutung der Thüre in Verbindung bringt, etwa als Seitenstück 
zu dem Weihwasserkessel in katholischen Lündern oder dem Mesusa der Juden. 
Zum wohnlichen Eindrucke der alten Bauernstube trägt auch deren 
Deckengestaltung nach ihrem Teile bei. Sie läßt die Balken sichtbar; 
die dazwischen liegenden Felder oder Gefache werden mit Brettern geschlossen, 
die gewöhnlich aus verschiedener Dicke mit profilierten Kanten hergestellt, 
wieder einen Wechsel von Licht und Schatten durch die Friese und die ein- 
geschobenen Füllungen bilden. Vielleicht wurde die Wirkung durch Bemalung 
in munteren Farben noch erhöht, ich kenne aber nur derartige Beispiele aus 
der Stadt. Man trifft mitunter auch zwei Balkenlagen übereinander an, 
von denen die oberen den Fußboden des Obergeschosses, die unteren die 
Decke des Erdgeschosses trägt. Dadurch erklären sich die lächerlich niedrigen 
Stuben alter Häuser; ich fand solche mit 1,83 m lichter Höhe zwischen den 
Balken, unter den Balken muß man sich bücken. Ich fasse diese doppelte 
Balkenlage als eine Bestätigung meiner Annahme auf, daß der Wohn= und 
Schlafraum als ein späterer Einbau in dem ursprünglich ungeteilten Haus 
entstanden ist; ob sie gelegentlich zu dem Zwecke hergestellt wurden, in Kriegs- 
zeiten als Versteck für Hab und Gut oder auch Menschen zu dienen, lasse 
ich unentschieden. 
Die Umfassungen der Wohnstuben bestehen heute nur noch aus- 
nahmsweise ganz aus Holz und zwar entweder als Blockwände aus Balken 
von rechteckigem Querschnitt von etwa 20 cm , die an den Ecken auf 
einander gekämmt sind oder als Schrotwände aus etwa 12 cm starken 
Pfosten, die in Ständersäulen eingespundet sind. Auch Klaiber= oder Lehm- 
wellerwände sind heute bei Wohnräumen im Erdgeschoß nur noch selten 
anzutreffen, so große Rolle sie auch früher im ländlichen Bauwesen gespielt 
haben. Mit ihrer Herstellung beschäftigte sich eine besondere Zunft, die der 
„Klaiber", die den Lehm zuerst mit den nackten Füßen durchtraten und 
jeden Stein daraus entfernten, ihn dann mit dem vom Bauer gelieferten 
Stroh zusammenarbeiteten und um die 7 bis 8 em starken gespaltenen 
Staken, d. h. Holzprügel mit etwas zugespitzten Enden, wickelten. Von der 
Entstehungsweise und Form dieser Bälger oder Welcher (das Wort ist 
zweifellos verwandt mit „Walken") hat das Verfahren seinen Namen. Diese 
Lehmwickel von höchstens zwei Ellen Länge werden nun noch feucht zwischen 
den Bundwerkhölzern einer Fachwand oder zwischen den Balken einer Decke 
in die ausgehauenen Nuten eingesetzt und dicht aneinander getrieben, worauf 
die dadurch gebildeten Flächen geebnet und geglättet werden. Der Gedanke 
liegt nicht zu fern, daß die Leiterwagen (Raiten) der Völkerwanderung den
	        
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