Full text: Sächsische Volkskunde.

430 O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 
Anstoß zur Entstehung dieser Technik gegeben haben; auch die Winterschutz- 
thüren an Ställen werden jetzt noch in ähnlicher Weise aus Sprossenwerk 
mit Strohdurchzügen hergestellt. Jedenfalls ist der Gedanke ausgesprochen 
germanisch, denn schon Tacitus spricht von Wänden aus Flechtwerk, während 
die Schrot= und Blockwände, wie früher schon erwähnt, durch die Slawen 
nach Sachsen eingeführt worden sein dürften. — Solche Lehmwellerwände 
halten leidlich warm, sind auch einigermaßen feuerfest, vertragen aber keinen 
Schlagregen und sind deshalb, wo sie nicht durch weit ausladende Dächer 
(mit Säulen, vergl. „Slawische Grundform“,) geschützt werden, vielfach nach- 
träglich mit Brettverschalung verkleidet worden. Immerhin sind sie gegen 
äußere Angriffe noch widerstandsfähiger als die bloßen Lehmstakenwände, 
bei denen der Wandkern gleichfalls von Holzprügeln gebildet wird, die aber 
nach außen und innen nur einfach mit einem Lehmauftrag, dem höchstens 
Spreu oder Brechahnen (Flachsschäben) beigemengt sind, überzogen werden. 
Die Wärmekapacität derartiger Wände wird häufig durch vorgesetzte, wenig- 
stens bis zur Brüstungshöhe reichende Brettkästen verbessert, die mit Laub 
oder Moos ausgestopft werden, den sogenannten Winterversatz. 
Die Klaiber= und Lehmerarbeit war schon in alter Zeit fest geregelt; 
schon im sechszehnten Jahrhundert wurde der Abrechnung und Bezahlung 
bloß das laufende Maß (die Rute) der Wände zu Grunde gelegt und je nach 
der Höhe, die sich gleichfalls in festen Maßen bewegte, waren die Preise 
normiert. Es dürfte uns somit hier eins der ältesten Beispiele von Akkord- 
arbeiten im Baugewerbe vorliegen. Ubrigens fehlte es diesem Handwerk 
auch nicht an dem Sinn für ornamentale Kunst; in den glatten Lehmober- 
flächen sehen wir häufig geometrische Muster eingekratzt, die wie bei den 
Tapeten in Rapport stehen, d. h. Reihen bilden. Lehmputz gilt außerdem 
für den dankbarsten Untergrund der Tempera-Malerei. Sowohl für Holz-= 
als Wellerwände mußte ein Steinsockel hergestellt werden, der in dem 
Mandat von 1775 „ein Füllmund von Steinen“ genannt und in mindestens 
½ Elle Höhe gefordert wird. 
An Stelle beider Arten von Umfassungen traten in späterer Zeit 
meist solche aus Bruchsteinmauerwerk, die mit Rücksicht auf das un- 
gesüge Material und die geringe Bindekraft des Lehmmörtels sehr beträcht- 
liche Dicke erhielten. Unter einer Elle trifft man sie nicht an. Wie weit 
die obrigkeitlichen Bemühungen, den Bauer zum Massivbau zu nötigen, 
zurück datieren, ersieht man nicht ohne Erstaunen u. a. aus der Forst= und 
Holzordnung vom Jahre 1560. Hier wird bestimmt, daß zum Neubau eines 
Anspanners höchstens 20, zum Reparaturbau höchstens 10 Stämme, ebenso 
an einen Hintersassen höchstens 5 Stämme aus den Churfürstlichen Forsten 
abgegeben und nur zu Balken, Sparren und Schindeln verarbeitet werden 
durften, weil „Mauern fast ebenso nahe als Holzwerk zu erzeugen, auch
	        
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