O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 433
waren aber früher in der Regel nicht heizbar. An den Treppenvorplatz
schließt sich ein Gang an, bei alten Anlagen die „Laube“ mit den Zugängen
zu den bloß einseitig angelegten Kammern (vergl. Fig. 176), in neueren
Bauernhäusern ein in der Mitte, zwischen zwei Reihen Kammern hinführender
langer Korridor, der durch ein Fenster am jenseitigen Giebel erhellt wird
(vergl. Fig. 185, Obergeschoß zu Fig. 177). So gleichförmig die Beschaffen-
heit dieser Kammern nun auch ist, so vielfältig ist oder war ihre Benutzung.
Hier macht sich der Unterschied zwischen einem behäbigen Bauernhause und
unsern kümmerlichen Stadtwohnungen besonders auffällig bemerklich. Denn
wir finden hier nicht bloß Schlafräume für die Knechte und die Mädgde,
sondern auch besondere Kleiderkammern für Herrschaft und Gesinde; es giebt
da nicht bloß Mehl= und Kleienkammern, sondern noch besondere Vorrats-
räume für die Kirmeskuchen und Weihnachtsstollen; in einer Kammer ist das
Kutschen= und Schlittengeschirr aufgehoben, in einer andern werden allerlei
Werkzeuge, Geräte und Eisenteile, die vorrätig gehalten werden oder irgend
wo entbehrlich wurden, gesammelt; manche Kammern dienen wohl auch dazu,
besonders reichliche Heu= oder Grummeternten bergen zu helfen. Zu dem
Zweck ist dann dicht über dem Fußboden in der Außenwand eine Luke an-
gebracht, durch die das Futter direkt vom Wagen herein gereicht werden kann,
und wenn sie dazu zu hoch liegt, sind am Giebel Gleitstangen (die soge-
nannten Heurutschen) senkrecht befestigt, damit die Heubündel beim Aufziehen
nicht den Schieferbeschlag losreißen; die Einrichtung erinnert lebhaft an die
„Seilfahrt“ in den Bergwerken. Je nach der Lage und dem Zmeck sind
die Fenster mancher Kammern mit inneren Schiebeläden ausgerüstet, die
zwischen genuteten Holzleisten seitlich oder auch senkrecht verschoben und
durch einen Vorstecker festgehalten werden. Die Anbringung der Läden
mußte inwendig erfolgen, weil von der Verglasung der Fenster nur eine
Scheibe beweglich (und zwar auch zum Schieben eingerichtet) war, äußerlich
angebrachten Läden wäre somit nicht beizukommen gewesen. Die lber-
tragung der Schiebeeinrichtung auf die Fenster rührt vielleicht aus der Zeit
her, als man anfing kleine Offnungen in den Läden zu verglasen, sie läßt
sich aber auch aus der Kostbarkeit und Vergänglichkeit des Eisenbeschlags
erklären. Hier trifft man übrigens gar nicht zu selten auch noch Butzen-
scheiben an.
Heizbar ist keine dieser Kammern, auch bei bemittelten Bauern macht
selbst die des Großvaters in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Ein schmales
Gelaß am Korridor, mitten zwischen die Kammern eingeschoben, enthält den
Abort; er liegt so, daß die kurze Schlotte nach der Düngerstätte ausmündet.
Ein anderer Raum, gleichfalls mitten zwischen den Kammern, enthält die
Treppe, die nach dem Oberboden führt. Von einer der Kammern oder von
der Laube aus zugängig, aber an der Außenseite des Gebäudes ist der
Wuttke, sächsische Volkskunde. 2. Aufl. 28