436 O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe.
Die Giebelwände des Dachraums, soweit sie nicht der Straße
zugekehrt sind, bestehen bei älteren Häusern regelmäßig aus Bundwerk mit
Brettverschlag (Fig. 191 aus Tanndorf), der in manchen Gegenden
Sachsens noch eine schützende Schieferverkleidung erhält; sind die Giebel-
dreiecke gemauert, so fehlen fast
nie die beiden gekuppelten Rund-
bogenfenster. Zur ausgiebigen
Durchlüftung des Bodenraums
werden aber auch auf den Dach-
flächen kleine stehende Fenster,
sogenannte Schwalbenschwänze
angelegt, deren Form häufig an
schlummermüde Augen erinnert
(Fig. 178). Das bevorzugte
Dachdeckungsmaterial war
Fig. 191. Tanndorf. Brettgiebel mit Schiefer- früher das Stroh, insbesondere
Krüppelwalm; Wetterdach mit Schindeln. vom Roggen, und es scheint in
der That nicht bloß die Selbst-
produktion für seine Vorzüge zu sprechen. Besondere Aufmerksamkeit muß
den Ortkanten (den Dachrandern an den Giebeln) und dem First gewidmet
- werden, weil hier der Wind sein
Zerstörungswerk zu beginnen pflegt,
und es giebt deshalb eine ganze
Reihe von Methoden, die Stroh-
lagen hier durch geflochtene
Strohseile (Fig. 192) durch auf-
gelegte Stangen u. dgl. niederzu-
drücken. Häufig werden deshalb
auch die Ränder durch Schindeln,
Schiefer= oder Ziegelreihen gebildet,
auch die Umgebung der Schorn-
steine soll mit Ziegeln eingedeckt
werden. Die durch den Wind
« drohende Gefahr muß schon früh
Fig. 192. Elbersdorf. Ort eines Strohdaches den Gedanken nahe gelegt haben,
mit Strohseilen. das Dach nicht mit senkrechten
Giebeln, sondern mit Walm-
flächen herzustellen; auf diesem Wege werden uns die Semnonischen Haus-
urnen mit ihrer Walmdachform, die Meitzen bis ins 6. Jahrhundert zurück-
datiert, allenfalls laublich, besonders wenn man dabei bedenkt, daß der
Germane von Haus aus ein Zimmermann ist. Nicht selten haben mich recht