O. Gruner: Haus und Hof im fächsischen Dorfe. 441
zeichnet das I bei der alten Scheune eine eigenartige halboffene Gang= und
Treppenanlage. Langtennen, mit dem Gebäudefirst gleichgerichtet, findet man
meist nur in Verbindung mit Rampen oder Auffahrtbrücken, die das Ein-
fahren von der Giebelseite in das Obergeschoß ermöglichen. Diese Anord-
nung erklärt sich im Gebirge, wo die Felder dicht hinter dem Gehöfte schräg
ansteigen, ohne weiteres von selbst, zumal wenn man dabei bedenkt, daß die
Scheunen vollkommen trocken und luftig stehen müssen und somit nicht ins
Terrain eingebaut werden dürfen. Die mit dieser Anlage verbundenen Vor-
teile (Arbeitsersparnis beim Einbringen des Getreides, Vergrößerung des
Abladeraums) sind so überzeugend, daß intelligente Landwirte auch ander-
wärts davon Gebrauch machen, wo es irgend angeht. — Die eigentliche
Tenne, d. h. der Fußboden, besteht fast immer aus einer 28 bis 42 cm
starken Lehmschicht, die wie die Klaibermasse mit
den Füßen durchgetreten und mit Rindsblut und Dres –
Hammerschlag vermischt wird; im Meißner Kreis
und in der Lausitz giebt es aber auch Tennen 6
aus 7 bis 10 cm starken rotbuchenen oder Tenne
eichenen Pfosten. Die geringste Höhe des Tennen- 1——
raums ist durch das Hantieren mit dem Dresch- Bense
flegel (von dem niedersächsischen „Flägel — Flü-
gel“) gegeben und somit stets ansehnlich. Die *— ssegenschuppen
Thore erhalten die ganze Breite und Höhe des #ller.,. efffen
Tennenraums als Abmessungen, damit sie Be= “
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wegung und Wechsel der Luft beim Dreschen und fu
W 2 . . ·.. Fig. 195.
Reinigen des Getreides vermitteln; sie schlagen Rennersdorf. Neuere Scheune.
stets nach außen auf, damit sie hinter einem
auf der Tenne haltenden Wagen geschlossen werden können und ihr Ab-
gebinde wird gern an die Außenseite gelegt, damit die Wagenrungen und
die überhängenden Ahren nicht an den Kanthölzern anstreifen. Die sehr
zweckmäßigen Schiebethore sind eine Neuerung. Wegen ungenügender Länge
der Tenne sieht man nicht selten die Wagendeichsel durch das geschlossene
Scheunenthor herausragen, und wenn an der Rückseite der Tenne sich kein
Thor befindet, wird hier zu dem Zweck häufig ein horizontaler Schlitz
im Mauerwerk ausgespart. Steht diese Mauer an der Nachbargrenze, so
greift in solchen Fällen das sogenannte „Deichselrecht“ platz. Neben dem
Hauptzweck, den geeigneten Raum zum Kornausdreschen zu bilden, müssen
die Tennen in kleinen Wirtschaften auch bei der Aufbahrung der Leichen
dienen und somit auch „den noch köstlicheren Samen"“ verwahren, „den wir
trauernd in der Erde Schoß bergen“.
Die Bansen, d. h. die Räume, in denen das unausgedroschene Getreide
lagert, liegen manchmal nur einseitig, meist aber beiderseits der Tenne.