O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 443
seinen Platz; die zugehörige Treppe liegt unter einer der Bansen, das Ein-
bringen erfolgt aber direkt vom Wagen durch einen in der Remise aus-
mündenden Kellerhals, nachdem die Kartoffeln vorher auf der sogen. „Kartoffel-
rolle“ von den gröbsten Anhängseln befreit worden sind. Vor der Scheune
liegt jetzt meist ein Pferdegöpel, von dem eine Transmission zu der neben
oder auf der Tenne aufgestellten Dresch= oder Kornreinigungsmaschine führt.
Diese Göpel sind erst vor etwa 30 Jahren in allgemeinere Anwendung ge-
kommen und sind jetzt, wenigstens was das Dreschen betrifft, vielfach durch
Dampfbetrieb wieder entbehrlich geworden. Die Maschinen sind manchmal
in besonderen, von außen unzugänglichen Scheunenanbauten untergebracht.
c. Sonstige Nebengebände und Ställe.
Außer den genannten Nebengebäuden weist fast jeder Hof noch solche
auf, die je nach besonderer Gewohnheit oder Bedürfnis entstehen und ihren
Gebrauch auch wieder wechseln, so daß sie sich nicht in ein festes System
einreihen lassen. So findet man bald ein Schutzdach für das Ackergeräte,
bald einen besonderen Schuppen für Mergel oder Rüben vor, oder ein mäch-
tiges Brunnengehäuse, oder wie Fig. 172 ein Wagehäuschen. Sie sind es
zumeist, die jedem Bauernhofe ein besonderes Aussehen verleihen, obgleich die
wesentlichen Gebäude immer wiederkehren und ihre Stellung zu einander in
der Hauptsache eine ähnliche ist.
Zur weiteren Mannigfaltigkeit trägt aber ferner der Umfang und die
Verschiedenartigkeit des Viehhaltens bei. Der ganze Zuschnitt der sächsischen
Bauernwirtschaft zeigt zwar unverkennbar, daß von Anfang an das Milch-
vieh, und zwar das Rind, als das wichtigste lebende Inventar angesehen
wurde, denn auch die Pferdeställe sind mit dem Bauernhause nicht in dem
Maße organisch verwachsen und beeinflussen die Bauanlage fast in allen
ihren Teilen nicht so wie der Kuhstall und seine Produkte; die Pferdeställe
waren anfänglich wohl eine mehr durch die strategischen und Lehnsverhältnisse
aufgezwungene, als durch das eigene Bedürfnis geforderte Zugabe. Aber
auch dem anderen Vieh brachte der Bauer meist nicht viel Wohlwollen ent-
gegen. Ziegen zu halten war in vielen sächsischen Dörfern ganz verboten,
in anderen durften sie nur im Stalle gehalten werden; auch jetzt noch findet
man sie meist nur bei Häuslersleuten. Die Zahl der Schafe war gleichfalls
sehr beschränkt, Häusler ohne Feldbesitz durften überhaupt keine Schafe halten;
erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde ein mäßiges Schafe-
halten allgemeiner üblich. Seitdem hat es wieder sehr abgenommen, so daß
man besondere Schafställe jetzt fast nur auf Rittergütern antrifft. — Gänse
waren nur in der Zahl von drei nebst einem Gänserich für jede Baustätte
und auch nur dann gestattet, wenn ein Gänsehirt im Ort gehalten wurde;
Häuslern und Hausgenossen war das Gänsehalten ganz verboten. Man