O. Gruner: Haus und Hof im sächsischen Dorfe. 449
Schenkstube, meist mit Fenstern nach drei Seiten, von der manchmal neben
der Küche noch ein Herrenstübchen abgetrennt ist; im Obergeschoß finden wir
den Tanzsaal und daneben, häufig mit alleinigem Zugang von diesem, ein
oder zwei Fremdenzimmer. Ferner ist meistens ein besonderer Gastpferdestall
vorhanden, vielleicht auch eine Kutschenremise und die unentbehrliche Bedürfnis-
anstalt, die sich freilich hier ganz besonders oft als notwendiges „ÜNbel“
bemerklich macht. Kegelschub, Vogelstange und bedeckter Sitzplatz vor, neben
oder hinter dem Hause dürfen nicht fehlen, und wird etwa im Hause nicht
nur gebacken, sondern auch Fleischerei betrieben, so stellt ein solches Wirts-
haus auf dem Dorfe (ich denke z. B. an Lichtenhain bei Sebnitz) sich wirklich
als einen Mikrokosmos dar, in welchem der Erbkretzschmar eine ganz andere
Rolle zu spielen berufen ist, als der „Restaurateur“ oder „Hotelier“ in der
Stadt. Nicht selten aber wird auch die Schankwirtschaft, in kleinerem Maße,
von den Schmieden als Nebenerwerb betrieben. Das sonstige Kennzeichen
der Schmieden ist meist ein dem Hause vorgebauter offener Schauer, wo
das Beschlagen der Zugtiere erfolgt und wo man deshalb auch häufig den
sogenannten Notstall, einen aus starken Hölzern zusammengefügten Käfig für
unruhige Pferde oder Rinder, stehen sieht. Auch das Aufziehen der glühenden
Radreifen, das Belegen der Pflugscharen und ähnliche Arbeiten werden hier,
halb auf der Straße, vorgenommen. Als noch weiterhin sichtbares Kenn-
zeichen der Schmiede und Stellmacher sind manchmal auf der Giebelspitze
Wetterfahnen mit figürlicher Darstellung ihrer Thätigkeit angebracht.
Wasserversorgung und Entwässerung.
Hinsichtlich des Wasserbezugs mögen die slawischen Dörfer, namentlich
die Rundlinge, wohl zumeist auf den in der Mitte gelegenen Dorfteich oder
auf den durch das Dorf fließenden Bach angewiesen gewesen sein; jetzt findet
man in jedem größeren Hofe einen Brunnen. In wasserarmer Gegend
oder auf Hochplateaus sind es meist Kesselbrunnen, mit Ausschalung oder
Ausmauerung des Schachtes und mit recht primitiven Pumpwerken, ohne
Sammeltrog unter dem Ausguß. Mit Vorliebe erhalten diese Pump-
brunnen ihren Platz zwischen Wohnhaus und Düngerstätte (vergl. Fig. 177
beim alten Wohnhaus). Im Gebirge hat jeder bedeutendere Hof seinen
eigenen, laufenden Brunnen (den Röhrborn; das ungewohnte dieser Ein-
richtung in manchen Gegenden wird den gleichlautenden Familiennamen ge-
schaffen haben); häufig wird er als Wasserhaus, nahe beim Stall im Ge-
bäude selbst ausgestaltet, manchmal mit Brutkästen für Forelleneier in Ver-
bindung gebracht. Die Einrichtung des Wasserhauses ist meist so, daß die
darin aufgestellten oder schwimmenden Milchäsche von dem durchfließenden
Wasser gekühlt werden. Solche „Wasserhäuser“ sind dann mit verschließ-
baren Brettüberbauten versehen; derartige Anlagen für den gemeinsamen
Wuttke, sächsische Volkskunde. 2. Aufl. 29